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Endzeitmärchen sachlich (Schauungen & Prophezeiungen)

Taurec ⌂, München, Sonntag, 21.04.2013, 19:43 (vor 4031 Tagen) @ Selly (5506 Aufrufe)

Hallo!

Was die Maria in La Salette erzählte, war nur eine Variante derselben Endzeitgeschichte, die seit 2000 Jahren tradiert wird, immer wieder ausgebaut, umformuliert, uminterpretiert, der jeweiligen Zeit angepaßt und daher in einer kaum zu überblickenden Fülle von Quellen vorliegend.

Die Grundmelodie ist immer dieselbe: Herrschaft des Antichristen => Christen-/Kirchenverfolgung => Auftreten von Engeln und Jeus => Niederwerfung des Antichristen => Gottesreich/goldenes Zeitalter
Das läßt sich noch beliebig mit "Vorläufer des Antichristen", "großem Monarchen", "Engelspapst", "dreitägige Finsternis" usw. ausgestalten.

Dazu gehören einige Standardwendungen, die man mal in ihrer Gesamtheit herausfiltern und auflisten müßte. Beispiele:

  • Antichrist von einer Jüdin geboren
  • Vorläufer des Antichristen (den hat man sich wohl mal irgendwann ausgedacht, weil die Realität nicht auf den Endzeitglauben passen wollte: Der Christenverfolger Nero wurde z. B. zum Vorläufer des Antichristen)
  • 25 Jahre (in einigen Prophezeiungen legt der große Monarch nach 25 Jahren auf Golgatha an einem Baume (aus dem sich später der Birkenbaum als Zentrum der Birkenbaumsage entwickelte) Krone und Szepter nieder)
  • 42 Monate
  • 3 Tage (z. B. Finsternis)
  • Rom (in Frankreich oft durch Paris ersetzt) wird vernichtet
  • Bruder kämpft gegen Bruder (hier: Franzose gegen Franzose, Italiener gegen Italiener)
  • Zehn Könige und andere Varianten von Stellen aus der Offenbarung (Kapitel 17: "Und ich sah ein Weib sitzen auf einem scharlachfarbenen Tier, das war voll Namen der Lästerung und hatte sieben Häupter und zehn Hörner. [...] Und die zehn Hörner, die du gesehen hast, das sind zehn Könige, die das Reich noch nicht empfangen haben; aber wie Könige werden sie eine Zeit Macht empfangen mit dem Tier.")
  • ...

Der "Witz" bei der Sache liegt darin, daß es mitnichten echt (im Sinne echter Seherschau) ist, nur weil es seit Jahrhunderten in unzähligen Quellen vorliegt. Es läßt sich auch nicht explizit nachweisen, daß in allen Fällen voneinander abgeschrieben wurde. Vielmehr handelt es sich um einen Teil des kulturellen Erbes ähnlich Märchen oder der Arthus- oder der Niebelungensage, jedoch in die Zukunft gewandt.
Ebensowenig wie es je gelingen wird, den Ort Camelots oder des Rheingoldes zu bestimmen, wird es jemals zum Auftreten des Antichristen, der Wiederkehr Jesu und aller damit verbundenen Sagenelemente kommen in der Form, wie es z. B. La Salette voraussagt.

Es sind Prophezeiungen (voraus-sagen!) auf Grundlage von Sagen, keine echten Seherschauungen. Ob sie eine wahren Kern haben, sei dahingestellt. Es mag durchaus so sein, daß in den Anfängen der christlichen Religion eine Schau stattfand, die grundsätzliche Einsichten in den Lauf der Welt gewährte. Davon zu unterscheiden ist hingegen, was im Laufe der Jahrtausende von Gläubigen daraus gemacht wurde.
Die Details, auf die Du Dich beziehst und auf deren Grundlage Du eine Chronologie zu bilden bestrebt bist, sind allesamt von Menschen erfunden worden, die die Endzeiterwartung in ihre jeweilige Zeit projizierten und, was von den Religionsstiftern überliefert wurde, in einen allzu flachen, allzu wortgetreuen und seichten Rahmen preßten. Wer das aber für bare Münze nimmt, gerät auf einen Irrweg. Das ist der Grund für unauflösbare Widersprüche.

Die Erscheinung in La Salette war sicher keine Erscheinung Mariens, sondern wohl eher eines recht erdnah lebenden Geistes, der sich als Maria ausgab oder hier dergestalt erschien und gängige Endzeitmotive repetierte, sofern die Aussagen der Kinder nicht nachträglich von Priestern massiv nachbearbeitet wurden.

Gruß
Taurec


„Es lebe unser heiliges Deutschland!“

„Was auch draus werde – steh zu deinem Volk! Es ist dein angeborner Platz.“


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