Velten ist rein literarisch (Schauungen & Prophezeiungen)

Gerhard, Montag, 27.06.2011, 10:35 (vor 4696 Tagen) @ BBouvier (4423 Aufrufe)

Umgekehrt, lieber BB,

dachte ich, dass DIR das entfallen wäre.

Denn ich war es, der schon einmal diese übrigen Schriften des fiktiven Velten hier auf dem Forum gelistet hat - und übrigens auch diejenigen des ebenso fiktiven "Schäfers Thomas", der ebenfalls jährlich seine Prognostiken herausgab (ab 1848 bis in die 1870er).

Bei beiden handelt es sich um rein literarische Quellen. Ein "Seher" sieht niemals erst "ängstliche Menschen, von Grauen ergriffen" und dann gleich "Gelehrte, die in Büchern nachschlagen" und dann gleich "sich weise und klug dünkende, die sprechen: was geht uns dieser Komet" an. So laufen Schauungen wahrhaftig nicht ab!!!

Was Du machen möchtest, und was Taurec in seinem Buch hoffentlich nicht macht: aus einem ohnehin schon sehr diskreditierten Text diejenigen Dinge herauszuschneiden, die einem in die eigene VORSTELLUNG hineinpassen. Ich habe das im folgenden nun einmal getan, und habe aus Velten den Speck herausgeschnitten und die Schwarte weggeworfen. Heraus kommt ein sehr hübsches und nettes Bild, das aber dadurch umso mehr sich als rein literarisch entlarvt. Wem die echten Schauungen nicht genug sind, dem kann man das dann gerne als schriftstellerische Ausmalung hinterher zusätzlich auftischen ...

Und zu Nostradamus wäre zu sagen, dass der hier zur Diskussion stehende Vers V/65 halt auf verschiedene Weise ausgelegt werden kann und daher so sehr unbestimmt ist, dass er nicht verwendet werden sollte (ich habe versucht, in meinem Beitrag "Auf der Suche nach eingetroffenen Prophezeiungen" Kriterien zur Diskussion zu stellen, die bei solcher Textarbeit angewendet werden könnten). Im Gegensatz zu solchen inhaltlich unbestimmbaren und kaum belastbaren Vierzeilern gibt es, darauf wollte ich mit den Beiträgen "Tessin" und "Chyren" aufmerksam machen, bei Nostradamus durchaus interessante thematische Komplexe, die zu untersuchen eventuell viel, viel nützlicher wäre.

Ich beende meinerseits die Diskussion hier und überlasse Dir das letzte Wort.

Gruss, Gerhard


Nachfolgend der Text von Velten, der ganz klar keine Schauung sondern eine schriftstellerische Arbeit ist.

Die Menschen gewahren es nicht und leben in ihrem Treiben fort. Endlich rötet sich der graue Himmel an einer Stelle, ein feuriger Kern wird sichtbar dunkelrot glühend und wächst, bis er wie eine feurige Rute sich von einem Ende bis zu dem andern zieht. Die Ängstlichen beginnen nachdenklich zu werden und ein unheimliches Grauen ergreift sie – der Leichtsinn spottet der drohenden Erscheinung – die frommen Gelehrten schlagen in ihren Büchern und alten Chroniken nach und wissen nicht, wie sie es anders zu deuten haben, als auf einen Vorboten von besonderen unglücklichen Ereignissen, welche die nächste Zukunft bringen werde nach dem Vorgange früherer Jahrhunderte. Die sich aber weise und klug dünken, sprechen: was geht dieser Komet unsere Erde an, der gehört nicht zu unserer Welt und kann uns keinen Schaden bringen.

Da auf einmal wehen heiße Winde, die Luft wird dick und ein Schwefelgeruch haucht aus ihr. Viele Quellen versiegen und an vielen Stellen sprudelt heißes Wasser hervor. Plötzlich tönt es wie ferner, dumpfer Donner, der Himmel steht ganz in Flammen und blutrote Wolken fliegen über das Land. Jetzt erdröhnt der Erdboden, er beginnt an vielen Stellen sich zu regen und zu winden – dann folgen einige furchtbare Stöße und Hunderte von Städten, Dörfern und Schlössern stürzen ganz oder halb zusammen oder versinken in weit geöffnete Schluchten. Ein Erdbeben hat sein Gericht gehalten und am Himmel sieht man zwei Neben-Sonnen in mattrotem Schein links und rechts von der halbverschleierten wahren Sonne. O! welch Gewinsel und Gestöhn, welch herzzerreißendes Gewimmer dringt allwärts in mein Ohr, denn Hunderttausende von Menschen, Alt und Jung, Männer, Weiber, Kinder, liegen erschlagen oder krümmen sich winselnd mit zerschellten Gliedmaßen unter den eingestürzten Mauern und Dächern und überall schlägt des Feuers Lohe in riesigen Säulen zum Himmel auf. Wer sich retten konnte, hat nur das nackte Leben gerettet und sucht Schutz in den Wäldern und verschonten kleinen Hütten. Dahin ist so viele Pracht des Landes, der Besen der Zerstörung hat sie hinweggefegt, wie ein Tyrus und Sidon, wie Ninive und Babylon, die unermeßlich reichen und großen Städte. Zerstört ist so vieles schöne Land durch den Einsturz von Felsen, welche die Täler füllen. Jammernd schleichen die Menschen umher und bangen jede neue Stunde, daß das Erdbeben sich wiederhole und sie von der Erde vertilge.

Um [noch] grimmiger gestaltet sich der darauffolgende Winter, der früh einbricht und mannstiefen Schnee auf die Fluren wirft. Die Kälte steigt von Tag zu Tag, die Vögel fallen erfroren aus der Luft, das Wild sucht in ganzen Rudeln vor Hunger und Kälte seine Zuflucht in den Dörfern und läßt sich geduldig mit der Hand fangen. Die Wölfe kommen aus den entferntesten Gebirgen in Gegenden, wo man diese reißenden Tiere nur der Beschreibung nach kennt. Alle Brunnen und Gewässer frieren ein, so daß über den Rhein und die Donau, ja selbst über den breiten Bodensee Lastwagen gehen. Viele hundert Menschen erfrieren im Freien und werden von Schneestürmen begraben. Ganze Dörfer liegen Monate lang abgeschnitten von allem Verkehr und tief eingeschneit bis an die Dächer. Erst das Frühjahr bringt Erlösung, aber auch neue Schrecken. Denn jetzt beginnt eine Wassernot vom kleinsten Tale bis in die breitesten Ebenen der Ströme. Rasch schmilzt der Schnee und verwandelt die Bache in wilde Flüsse, die Flüsse in reißende Ströme und die Ströme in Meeresfluten. Ganze Dörfer werden weggeschwemmt mit Tausenden von jammernden, rettungslosen Menschen. Ein nasses Jahr tritt ein. Mit ihm Krankheiten aller Art. Die geringe Ernte verzehren Heuschreckenschwärme, die vom Morgenland heraufziehen und wie dichte Wolken selbst die Sonne verfinstern. Wo sie sich niederlassen, wird jedes Hälmchen abgefressen und die Fluren erscheinen wie Brachfelder. Eine entsetzliche Not tritt ein und ihre Schrecken werden nur gemildert durch die Vorräte des verflossenen Jahres.

Dazu kommt aber noch ein neuer Feind. Vom Himmel fallen heiße Tropfen, welche Flecken auf den Kleidern zurücklassen, wie einst vor 500 Jahren. Wo die bloße Haut getroffen wird, entstehen giftige Blasen und dann schwarze Brandflecken. Eine allgemeine Sterblichkeit reißt ein, die weit über die Hälfte der Menschen einem schrecklichen, jähen Tod überliefert. Ganze Häuser und Dörfer sterben aus und zuletzt findet man kaum noch um hohes Geld Leute, welche die Toten verscharren. Den Reichen im Palast, wie den Armen in der Hütte fällt die Krankheit mit ihren gütigen Krallen an und erwürgt ihn. Wie ein Wahnsinn ergreift es die Menschen, viele Tausende, statt sich auf den Tod vorzubereiten, überlassen sich in Verzweiflung allen Lüsten der Welt, um diese noch bei gesundem Leibe zu genießen, da jeden Augenblick sie vor dem Tode ja nicht sicher sind. Sie rasen im wilden Tanz umher, schwelgen bei köstlichen Gelagen, Männer und Weiber, und vergessen alle Zucht im Taumel der Lüste. Während hier der Eine mitten aus dem Tanz herausgerissen wird von der Knochenfaust des Todes, rasen die Anderen fort mit frechem Trotze, bis auch sie ein Raub des Todes werden. Alle Zucht und Ordnung hat aufgehört, jeder greift zu, wo etwas zu erhaschen ist und was die Toten zurückgelassen haben und weiß selbst nicht, wer vielleicht im nächsten Augenblick wieder ihn mit gewaltsamer Hand beerbt, wenn ihn das Todeslos getroffen.

Erst mit dem Eintritt des Winters läßt diese schreckliche Pest nach und verschwindet allmählich. Aber auch sie hat ein Leichenfeld wieder zurückgelassen, fast noch ärger als der Krieg und noch immer ist die Luft verpestet und die Menschen geben umher mit verbundenen Gesichtern, um den Todeshauch nicht einzuatmen. Wer kann den Jammer beschreiben, wo so viele Tausende junger, frischer Leben ins Modergrab sinken, die Braut aus den Armen des lieben Jünglings, der Mann in der Kraft seiner Jahre von der Seite des treuen Weibes hinweg, der Säugling am Leichnam der Mutter winselt und zahllose zarte Waisen umherirren ohne Vater, ohne Mutter? Die Welt ist ein Grab, eine Tränenwelt geworden und gleicht einem vom Hagel zerschlagenen Baume, dessen Knospen verwelkend auf dem Boden zerstreut umher liegen. Seit der großen Pest, genannt der schwarze Tod, die vor 500 Jahren Deutschland und halb Europa verwüstete und zu einer Einöde machte, ist kein solcher Würgeengel mehr über die Länder gefahren. Und doch geht auch diese Zuchtrute vorüber – die Brandflecken, welche sie auf der Erde hinterlassen, überziehen sich wieder mit frischem Leben, denn Gottes Barmherzigkeit in der Natur ist voller Wunderkraft.


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