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Katastrophen als (unmittelbarer) Entwicklungsstimulus? (Schauungen & Prophezeiungen)

Taurec ⌂, München, Montag, 29.05.2017, 11:12 (vor 2524 Tagen) @ Sagitta (4715 Aufrufe)

Hallo!

Die "Toba catastrophe theory" (siehe gleichnamigen Wikipedia-Eintrag) ist bekannt und spricht gerade für meine Auffassung von der stimulierenden Wirkung von Katastrophen auf die menschliche Geschichte, im damaligen Fall auf der genetischen Ebene und hinsichtlich der Ausbreitung (Migration, Out-of-Africa etc.).

Du neigst wohl zu rationalistischen Ausblendung. Im entsprechenden Artikel steht:
"The exact geographic distribution of human populations at the time of the eruption is not known, and surviving populations may have lived in Africa and subsequently migrated to other parts of the world."

Im Artikel zur "Raus-aus-Afrika-Theorie":
"The dating of the Southern Dispersal is a matter of dispute. It may have happened either pre- or post-Toba, a catastrophic volcanic eruption that took place between 69,000 and 77,000 years ago at the site of present-day Lake Toba."

Sicher ist also nichts.

Und:
"An indication for post-Toba is haplo-group L3, that originated before the dispersal of humans out of Africa and can be dated to 60,000–70,000 years ago, "suggesting that humanity left Africa a few thousand years after Toba".

Ist die Zeitkoordinate nur lang genug, findet man auch eine Entwicklung, die man vermeintlich auf den Toba-Ausbruch zurückführen kann.

Auch schade für Deine Theorie:
"New research showing slower than expected genetic mutations in human DNA was published in 2012, indicating a revised dating for the migration to between 90,000 and 130,000 years ago."

Theorien über die Frühgeschichte des Menschen anzuführen, um daraus allgemeingültige Gesetze wie "Katastrophen stimulieren die Entwicklung des Menschen" zu belegen, ist wohl ein Griff ins Klo, wenn man mit mehrtausendjährigen Wanderungen zu tun hat, deren Datierung sowohl vor, als auch nach der Katastrophe liegen könnte. Es gibt keinen kausalen Zusammenhang, wenn die Wanderung nicht unmittelbar nach der Katastrophe, in der Zeit des vulkanischen Winters oder unmittelbar nach dessen Ende angesetzt werden kann.
Im frühgeschlichtlichen Bereich besteht allenfalls scheinbare Sicherheit, die durch widersprechende Ergebnisse jederzeit über den Haufen geworfen werden kann. Ursachen sind womöglich irrige Axiome, unzureichende Datierungsmethoden (Stichwort "Chronologiekritik") und eine generell nur sehr lückenhafte Abdeckung durch Funde. Man kann zwar die Untersuchungen zitieren, die zur eigenen Auffassung passen, letztlich ist das aber nicht beweiskräftig.

Wie eine genetischer Flaschenhals, der die Menschheit auf das Inzuchtniveau eines abgelegenen Bergdorfs zurückwirft (wenige tausend Individuen, in Kleinstgruppen zersplittert), zu ihrer Weiterentwicklung beitragen soll, wäre eine Frage, die sich aus Deiner Behauptung grundsätzlich ergibt. Es hätten ja in lokalen, günstigen "Refugien" gerade solche Populationen durch Zufall überlebt, die ohnehin schon eng verwandt waren. Bis diese auf der entvölkerten Erde einander durch Zufall begegnen, hätten einige Generationen genetischer Verschlechterung mit der Gefahr von Erbkrankheiten etc. stattgefunden.

Selbst, wenn es ("Entwicklungsstimulation") zuträfe, wäre dies keine Erkenntnis, die sich auf unsere Zeit und Zivilisation übertragen ließe. Nach einer solchen Katastrophe würde alles darnieder liegen. Eine weltweite Hungersnot aufgrund der eingeschränkten Landwirtschaft würde ein Massensterben nach sich ziehen. Die Folge wäre ein Abriß der Wissensvermittlung auf sehr vielen Gebieten. Die Hochtechnologie, die auf weltumspannende Netze angewiesen ist, würde nicht fortgeführt werden und müßte von einer nachfolgenden Zivilisation neu entdeckt werden. Dazwischen läge aber ein dunkles Zeitalter von (geschätzt mindestens) mehreren Jahrhunderten Länge, in denen die wirtschaftliche Not nicht die Ressourcen für intellektuelle Experimente läßt, die sich nicht zeitnah auszahlen. Zudem steht Technik am Ende eines kulturellen Zyklus, was ein neues technisches Zeitalter mindestens 40 Generationen weiter in die Zukunft verlagert – sofern dann überhaupt der seelische/faustische Drang zur Technik bestünde.
Die Annahme einer "technischen und gesellschaftlichen" Stimulation aufgrund der und zeitnah zur Katastrophe ist utopisch. Allenfalls seelisch mag ein solches Ereignis stimulierend wirken, weil es den Lebenskampf wieder beginnen läßt, was entsprechende Kräfte freisetzt.
Daß nach einem Einbruch auch irgendwann wieder ein Aufstieg erfolgt, ist indes eine banale Feststellung. Hier ist auch das Wirtschaftswunder nach dem Zweiten Weltkrieg einzuordnen, das mehr eine vereinfachende Überzeichnung der Geschichte ist, um der "Erfolgsgeschichte BRD" einen pseudo-mythischen Unterbau zu verpassen (es gibt ja mehrere Säulen, auf denen die Zivilreligion dieses Staates fußt, die auch alltäglich in den Medien sattsam für die Insaßen wiederholt werden).

Im übrigen war die Situation des Menschen auf der Erde damals eine ganz andere, sowohl von der Anzahl der Menschen wie auch von ihren technischen Möglichkeiten her.

Richtig, woraus sich eine Unübertragbarkeit (oder keine pauschale Übertragbarkeit) der damaligen Ereignisse auf unsere Zeit ergibt. Damit entziehst Du Deiner ursprünglichen Behauptung am Ende – bewußt oder nicht – wieder die argumentative Grundlage, die Du im selben Beitrag zur deren Untermauerung zu verwenden gedachtest (übrigens nicht zum ersten Mal).

Sagittas ursprünglicher Gedanke:

Eher würde eine größere Katastrophe in die vorgezeichnete Richtung [seelische, technische und gesellschaftliche Entwicklung des Menschen] stimulierend wirken und die gesetzmäßig angelegten Dinge noch mehr beschleunigen (siehe das sog. 'Wirtschaftwunder' nach dem Zweiten Weltkrieg).

Gruß
Taurec


„Es lebe unser heiliges Deutschland!“

„Was auch draus werde – steh zu deinem Volk! Es ist dein angeborner Platz.“


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