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Determinismus (Übersinnliches & Paranormales allgemein)

Taurec ⌂, München, Sonntag, 05.03.2017, 14:44 (vor 2609 Tagen) @ BBouvier (2195 Aufrufe)

Hallo!

Das Problem ist wohl ein religiöses.

Von Einstein stammt der Spruch "Gott würfelt nicht", was ich für eine seiner brauchbareren Äußerungen halte. :-D

Wenn der Welt eine sinnvolle Idee, ein Schöpfungsgedanke zugrundeliegt, kann es keine absolute Freiheit geben. Dann steht das Ende einer Entwicklung und bestimmte teleologisch angestrebte Zustände fest. Das kann man auf das gesamte Universum beziehen oder auf kleinste Zeiteinheiten und Lebensläufe herunterstaffeln.

Es entwickelt sich im zeitlichen Nacheinander sinnhaft, was in der überzeitlichen Uridee als Gesamtzusammenhang/Sinn-/Beziehungsgefüge beinhaltet ist. Im zeitlichen Ablauf (der physikalischen Raumzeit) bringen sich Konzepte zum Ausdruck, die im zeitlosen (metaphysischen) Bereich als Gesamtidee vorhanden sind. Diese Gesamtidee beinhaltet nicht nur die körperliche Gestalt eines Dings (die ja ebenfalls Produkt einer allmählichen Formung ist) sondern auch, was dieses Ding zwischen Anfang und Ende seines Lebens (die beide ebenfalls feststehen) erleben wird.

Daher: Es ist ein grundlegender Unterschied zwischen
1. Wahrscheinlichkeiten, die ad hoc, also zeitgebunden von der Gegenwart aus extrapolativ berechnet werden, und
2. dem tatsächlichen Geschehen, weil es in der Gesamtidee/Schicksalsfaden veranlagt ist. Letzteres weist auch sehr unwahrscheinliche Ereignisse auf, die alle ex ante postulierten Wahrscheinlichkeiten auf den Rang eines Stocherns im Nebel verweisen.

Die Freiheit des Willens funktioniert nur innerhalb des zeitlichen Ablaufs, also in der alltäglichen, uns umgebenden diesseitgen, raumzeitlichen Welt. Voraussetzung der Willensfreiheit ist das Vorliegen von Gegenwart und Zukunft, das mit der Unkenntnis der letzteren verbunden ist. Auf dieser Grundlage entsteht die Möglichkeit und die Notwendigkeit, sich zu entscheiden.
Gleichwohl steht alles von einer übergeordneten, die Raumzeit in ihrer Ganzheit umfassenden Perspektive aus fest.
Das führt zu der absurd anmutenden Feststellung, daß der Mensch durch seine freie Entscheidung vollzieht, was er der zeitlosen Uridee entsprechend vollziehen soll. Er entscheidet sich stets im Sinne des überzeitlichen Weltplans, gleich wie seine Entscheidung ausfalle, denn er bewegt sich "im System", aus dem ein Ausbruch unmöglich ist. Der Mensch ist nicht der Schöpfer der Welt, sondern eher ein Gerichtsvollzieher des Schicksals, der für seine Tätigkeit den freien Willen als Funktion benötigt.

Freier Wille und Determinismus sind kein unvereinbarer Widerspruch. Deren Verhältnis zueinander gleicht einem Vexierbild, das zugleich zwei Perspektiven beinhaltet, die einander auszuschließen scheinen. Dennoch sind beide im selben Bild enthalten, und jedes Bildelement ist parallel Teil des jeweils anderen Motivs.
Freie Entscheidungen bestimmen das Schicksal, zugleich bestimmt das Schicksal die freie Entscheidung.

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Die Schwäche des Campbell-Modells liegt darin, daß es diese metaphysische Betrachtungsweise eigentlich gar nicht beachtet. Statt dessen wird unsere Daseinssphäre mit den Wahrnehmungekategorien Raum und Zeit lediglich in eine gleichartige größere Sphäre eingekapselt. Es wird unterstellt, daß der Computer, auf dem die Simulation läuft, in einer Welt steht, in der dieselben engen (nur eine Seite des Vexierbildes beachtenden) physikalischen, kausalen Gesetze gelten wie in unserer (mutmaßlich simulierten) Raumzeit. Doch in welcher Sphäre ist diese Metaebene beinhaltet? Wer hat sie geschaffen? Man könnte hier eine unendliche Zwiebel ineinander verschachtelter simulierter Realitäten postulieren und würde sich damit doch nur der Gretchenfrage entledigen, indem man ihren Gegenstand in unerreichbare Fernen rückt.

Das führt letztlich zu den religiösen Grundannahmen. Vor Campbells beiden Axiomen steht die unausgesprochene Grundannahme, daß es in oder am Anfang der Simulation keinen "beabsichtigenden Willen" gäbe, und daß die Agenten der Simulation ein Element freien Willens besäßen, das quasi aus der Simulation herausfiele, daß es also in der Simulation ein unsimuliertes Zufallsmoment gäbe und tatsächlich freistünde, welcher Weg in der Simulation gewählt wird.*
Das ist die Frage nach Gott, von der alles abhängt, weil dahinter nicht geblickt werden kann. Bejat (wie in der traditionellen Welt) oder verneint man sie (wie in der Moderne), kommt man zu unterschiedlichen Folgerungen und wird auch die Begriffe, damit verbundene Denkmuster und deren notwendige Implikationen für das eigene Modell anders wählen.

* In den Matrixfilmen sind die Handelnden nicht Elemente der Simulation, sondern Bewußtseine, die ihren eigentlichen Ursprung außerhalb der Simulation haben. Dadurch kommt ein unberechenbares Element in die Simulation, das regelmäßigen Absturz und Neustart bedingt. Fragt man nach dem Sinn, nach Schicksal und Bestimmung, kann man aber nicht die Rahmenbedinungen der Simulation zugrundelegen, sondern muß von der Realität ausgehen, in der die Bewußtseine sich eigentlich befinden. Entstammen sie tatsächlich der Realität, in der sie sich befinden, so sind sie Teil dieser "Simulation" (Realität) und nicht frei (sind also Agenten), während außerhalb jemand zu vermuten ist, der die Bedingungen bestimmt und die Agenten derterminiert.

Gruß
Taurec


„Es lebe unser heiliges Deutschland!“

„Was auch draus werde – steh zu deinem Volk! Es ist dein angeborner Platz.“


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