Buch: Mein geistiges Schauen in die Zukunft von Frau de Ferriem Juli 1905 (Teil4) (Schauungen & Prophezeiungen)

Fred Feuerstein, Dienstag, 04.01.2011, 17:31 (vor 4864 Tagen) @ Fred Feuerstein (4546 Aufrufe)

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Es ist allerdings nicht ausgeschlossen, daß durch somnambule
Personen überhaupt, ohne daß sie es wollen, genug Visionen ge-
liefert werden, welche ganz oder teilweise der Phantasie der Som-
nambulen entstammen. Hierbei ist indes zu bemerken, daß nicht jede
unerfüllt bleibende Visionsmitteilung der Phantasie entstammt. Selbst
nicht eingetroffene Gesichte können echte Zukunstsblicke darstellen.
An Zeitungsberichte über mich anknüpfend sagt Herr Dr. Egbert Müller
dazu: »Auch die nicht sich erfüllenden Aussagen einer
Seherin sind dennoch praesagischer Natur. Denn der Seherin
zeigt sich entweder das Resultat eines ganzen Entwicklungsganges,
von dem etwas betroffen wird, oder nur der Stand eines Ent-
wicklungsteiles, der sich gegen das Objekt der Prophezie gleichsam
projiziert; der weitere Entwicklungsgang aber wird, und zwar nach
dem Moment der Clairvoyanee, durchkreuzt und zu einem anderen
Ausgang hin abgelenkt.« Wirkliche Phantasie-Visionen können jedoch
namentlich dann eintreten, wenn von Seiten der Sitzungsteilnehmer
durch irgendwelche Wünsche oder bestimmte Fragen ein gewisser Druck
ausgeübt wird. Was mich anbelangt, so kann ich auf Wunsch
fast nie prognostizieren oder hellsehen. Die Gesichte müssen
am besten spontan eintreten. Die spontan kommenden Visionen und
Weissagungen haben sich als die zuverlässigsten erwiesen und tritt
die Clairvoyance auch spontan bei mir ein. Wenn jemand z. B.
wünscht, ich soll ihm seine Zukunft sagen oder etwas über seine
Vergangenheit, — ich konnte es nicht bezw. könnte es wenigstens
nicht so ohne weiteres. Wie bemerkt, sehe ich fast täglich geistig
genug und vielerlei, aber ohne irgend etwas Bestimmtes in dieser
Beziehung gewünscht zu haben. Wohl könnte die gewünschte
Clairvoyance, in welcher ich dem Betreffenden die questionierten
Mitteilungen über seine Person u. machen kann, eintreten; zu
garantieren vermag ich indes nicht dafür. Noch weniger vermag
ich aber auch dann, wenn solche Visionsmitteilungen oder Weis-
sagungen durch mich gegeben werden, nicht die Gewähr dafür zu
übernehmen, ob das Gesagte, soviel auch sonst schon immer, wie
konstatiert worden, nach dieser Richtung eingetroffen ist, auch wirklich
eintrifft; denn ich fürchte leicht, daß infolge des geäußerten Wunsches
und des dadurch, wenn auch unmerklich auf mich ausgeübten geistigen
Druckes die Vision, die Weissagung auch, ohne daß ich es eben will,
ein Bild meiner für mich selber unbemerkt einsetzenden Phantasie
werden könnte.

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Einer der ersten Forscher aus diesem Gebiete, Baron Dr. du Prel,
schrieb, als er 1896 um einige Aufklärungen bezüglich meiner
Mediumschaft gebeten wurde: ,,In der Regel sind nur solche
Visionen zuverlässig, die sich spontan einstellen, weniger
die abgefragten. Jede Frage wirkt aber als eine Suggestion,
enthält einen Zwang zu antworten, ruft also die Vision hervor,
die aber, wenn das transzendentale Bewußtsein sie nicht liefert, von
der Phantasie geliefert wird. Die Vision tritt unwillkürlich ein, ist
ebenso anschaulich wie eine echte, kann also von der Seherin von
einer echten nicht unterschieden werden, sodaß also die scheinbare
Unzuverlässigkeit der Seherin sich in eine Ungeschicklichkeit des
Operators verwandelt.« In dem betreffenden Briefe nahm Dr.
du Prel im weiteren noch aus die Seherin, welche in den 90er Jahren
in der französischen Hauptstadt, namentlich 1897 durch ihre vor
glaubwürdigen Zeugen verkündete richtig eingetroffene Vorhersagung
des großen Wohltatigkeitsbazar-Brandes in der Rue Jean Goujon
zu Paris von sich reden machte, Bezug, sich ungünstig darüber aus-
sprechend, daß man den geistigen Blick derselben auf alle möglichen
Dinge hinlenke, was zur Folge habe, daß sie in mancher Beziehung
nur wertlose Mitteilungen mache. Allerdings hat man, wie in einem
Bericht aus Paris gesagt wird, genug Gelegenheit gehabt, auszahl-
reich vorgekommene Irrtümer in den Aussagen der Clairvoyante resp.
des durch sie sprechenden jenseitigen Wesens hinzuweisen. Wie man
sich jedoch überzeugt hat, haben sich aber auch die Vorhersagungen
jener Prophetin in vielen hunderten von Fällen als richtig erwiesen,
sodaß man, wenn man auch keine volle Klarheit über das Wesen
der hier wirkenden Kraft gewinnen konnte und nach dem heutigen
Stande unseres Wissens und Verständnisvermögens gewinnen kann,
nichtsdestoweniger vor der unbeugsamen Tatsache stand, daß sich eine
unbekannte Kraft in höchst bemerkenswerter Weise betätigte.
Dieses Wirken okkulter Kraft konnte am besten in Bezug aus
die Vorhersagung des erwähnten Bazarbrandes konstatiert werden.
Dieser schreckliche Brand, bei welchem über hundert Menschen, meist
Leute aus der vornehmsten Gesellschaft, u. a. die Herzogin Sophie
von Alentzon, Schwägerin des Kaisers Franz Joseph von Oesterreich
und ehemalige Verlobte des unglücklichen Königs Ludwig III. von
Bayern, umkamen, fand am 4. Mai 1897 statt und wurde Anfang
Mai 1896 von der Seherin, dem Fräulein Couédon (Tochter eines
Pariser Rechtsanwalts), im Salon des Grafen Urbain de Maille

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zu Paris vorausgesagt. Die Prophezeiung, welche in gebundener
Sprache erfolgte, wurde nicht stenographisch fixiert, jedoch erinnern
sich verschiedene Zeugen derselben vollkommen. Nach einer Ver-
öffentlichung in der französischen Zeitung ,,Le Temps« vom 16. Mai
1897 hatte sie folgenden, von der Seherin selbst rekonstruierten
Wortlaut:

“Près des Champs-Elysée,
Je vois un endroit pas élevé,
Qui n’est pas pour la piété,
Mais qui en est aproché
Dans un but de charité
Qui n’est5 pas la vérité…
Je vois le feur s’élever
Et les gens hurler…
Des chairs grillées
Des corps calcinés,
J#en vois comme par pellets

zu deutsch:
,,Bei den Champs-Elysees
Sehe ich einen nicht erhöhten Ort,
Welcher nicht zur Frömmigkeit bestimmt ist,
Aber für etwas Ähnliches,
Zu einem Zwecke der Barmherzigkeit, —
Was nicht in Wahrheit der Fall ist.
Ich sehe das Feuer aufsteigen-
Und die Menschen schreien.
Geröstetes Fleisch,
verbrannte Körper, —
Ich sehe sie wie haufen(schaufel)weis ————

oder in gebundener Sprache, in welcher die Voraussage in deutschen
Zeitungen publiziert wurde, etwa:
»In der Elysäischen Felder Nähe
Ich ein wüstes Gedränge sehe.
Erst dem Mitleid war es geweiht,
Dann aber macht es viel Herzeleid.
Flammen seh’ ich lodern und sengen,
Ängstlich die Menge furchtbar drängen;
Lebendes Fleisch sehe ich geröstet
Körper verbrannt, die Luft verpestet!

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Ferner machte der Graf Maille, in dessen Wohnung die Weis-
sagung durch Fräulein Couedon erfolgte, dem ,,Temps«, laut der
Veröffentlichung in letzterem vom 16. Mai 1897, spezielle Mitteilungen
bezüglich der Prognose. Die Übersetzung des bezüglichen Berichtes
finde ich u. a. in einem Briefe, welchen Herr Dr. jur. de Jonge,
Berlin an Herrn Dr. G. C. Wittig in Leipzig, s. Z. Redakteur
der vom russischen Staatsrat Alexander Aksakow herausgegebenen
,,Psychischen Studien«, sandte. Herr Dr. de Jonge schrieb: ,,Wie
Sie wohl schon aus den Blättern ersehen haben werden, hat die
bekannte Mlle. Couedon in Paris den Brand in der Rue Goujon
mit einer Klarheit, Sicherheit und bis ins Detail gehenden An-
schaulichkeit vorausgesagt, die ihre prophetische Veranlagung auch
für den skeptischsten Leugner der Wahrheiten des Okkultismus außer
Zweifel setzen dürfte! Der Fall hat für das Gebiet des zeitlichen
Hellsehens nicht geringere Beweiskrast als die berühmte Mitteilung
Swedenborgs vom Brande Stockholms (siehe Seite 22) für das
räumliche Fernsehen! Und gerade der erschütternde Hintergrund des
Bildes, das die Couedon, ein Jahr bevor es zur Wirklichkeit wurde,
im somnambulen Zustande schaute, hat naturgemäß in weitesten
Kreisen zu ernstem und tiefem Nachdenken über die Möglichkeit
der Prophetie angeregt. Umsomehr dürfte es geboten sein, zur
zweifelsfreien Sicherstellung des tatsächlichen Vorganges an sich den
Bericht eines Zeugen wiederzugeben, der nach Lage des Falles eine
erhöhte Glaubwürdigkeit für sich beanspruchen darf. Der Graf
Urbain de Maille, in dessen Salon die Prophezeiung der Couedon
im Mai 1896 erfolgte, hat sich hierüber in einem Schreiben an den
,,Temps« ausgesprochen, welches der »Temps« am 16. Mai d. J.
veröffentlicht hat und welches ich hier in wortgetreuer Übersetzung
mitteile: Gras Maille schreibt: »Ich hatte Mlle. Couedon in ihrer
Wohnung befragt, und obwohl ich durchaus nicht an die Mitwirkung
des Erzengels Gabriel glaubte,*) so schienen mir doch die Enthtillungen

*) Hinsichtlich dieser Bemerkung erwähne ich, daß sich damals durch die
französische Seherin angeblich ein Spirit kundgab, der sich merkwürdigerweise
ebenso wie mein ,,Haupt-Kontroll-Geist«: ,,G a b r i e l« nannte. Dieser Gabriel
und damit die ersten Prophezeiungen stellten sich ferner bei Frl. Couedon selt-
samerweise ungefähr um dieselbe Zeit ein, als mein Gabriel-Spirit bei mir
erschien und die ersten Visionsschilderungen durch mich zu Protokoll gegeben
wurden. Dabei wußte weder ich etwas von der Pariser Seherin noch letztere
etwas von meiner Existenz.

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des jungen Mädchens äußerst merkwürdig zu sein. Auf meine Bitte
willigte Mlle. Couedon ein, ausnahmsweise einmal entgegen ihren
sonstigen Gepflogenheiten sich bei mir hören zu lassen, und zwar in
Gegenwart von etwa hundert Personen, unter denen sich die Frau
Gräfin Aimery de la Rochefoucauld, Frau v. Mesnard, die Mar-
guise d’Anglade, die Gräsin Virien, der Graf Fleury und verschiedene
andere befanden. Nachdem Mlle. Cbusdon die Neugier derjenigen
Geladenen, welche sie jeder für seine Person befragt hatten, be-
friedigt hatte, kam der Moment, wo sie uns von dem bevorstehenden
Brande sprach. Vielleicht sprach sie nicht genau dieselben Worte,
die Sie mir berichten, aber sicher war der Sinn fast derselbe. Sie
sprach von ,,einem großen Brande, welcher in einer zu Wohl-
tätigkeitszwecken gebildeten Gesellschaft ausbrechen würde.«
— ,,Ich sehe«, sagte sie, — ich zitiere aus dem Gedächtnis, ——
,,daß die Spitzen der Gesellschaft werden getroffen werden.
Und ganz besonders wird das Faubourg St. Germain zu
leiden haben.« Und ganz genau entsinne ich mich, daß die Seherin
hinzufügte: ,,Keine der hier versammelten Personen wird in
Mitleidenschaft gezogen werden !« —— und sich mir persönlich zu-
wendend: ,,Sie selbst werden nur ganz von ferne davon
berührt werden, sozusagen nur auf indirektem Wege.« In
der Tat ist keiner unserer Gäste von dem Unglück betroffen worden.
Was mich anbelangt, so habe ich gemäß den Voraussagen der
Mlle. Couedon eine ganz entfernte Kousine verloren, welche ich kaum
kenne.« — Soweit das Zeugnis des Grafen Maille. Alle Zweifler
aber und Leugner der Vorgänge aus okkultem Gebiet dürfte dieser
erstaunliche Vorgang mit besonderer Eindringlichkeit an das alte
Hamlet-Wort erinnern: , (There are more things in heaven and earth,
Horatio, Than are dreamt of in our philosophy“ [,,Es gibt
mehr Ding’ im Himmel und aus Erden, Horatio, als unsre Schul-
weisheit sich träumen läßt.«]
Berlin, den 31. Mai 1897.
Dr. jur. Christoph Morris de Jonge.

Außerdem publizierte der Redakteur der Pariser Zeitung ,,La libre parole“
und der Zeitschrift ,,L’Echo du Merveilleux“
(Das Echo des Wunderbaren), Herr Gaston Mery, am 15. Mai
1897 im letztgenannten Journal noch einen Artikel über die Prophe-
zeiung, dem das Nachstehende entnommen sei:
,,Man weiß, daß Fräulein Couedon sich stets beharrlich ge-

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weigert hat, in Gesellschaft zu gehen. Ein einziges Mal — nur
einmal —— machte sie zu gunsten der Gräfin de Maillé eine Aus-
nahme; es war zu Anfang Mai 1896. In den Salons der Frau
von Maillé hatte sich das ganze Viertel Rendezvous gegeben.
Zuerst sprach Frl. Couedon privatim mit denen unter den Ein-
geladenen, die sie konsultieren wollten. Aber ihre Anzahl war so
groß, daß Frl. Couedon aus Bitten der Herrin des Hauses ein-
willigte, nachdem sie den ,,Engel Gabriel« angerufen hatte, vor der
ganzen versammelten Gesellschaft zu sprechen. Unter anderen Prophe-
zeiungen machte sie die nachfolgende, deren sich mehrere Zeugen voll-
kommen erinnern und deren Wortlaut sie selbst rekonstruiert hat:
[Hier folgt die Prognose in französischer Sprache, wie oben an-
gegeben.] Der ,,Engel« fügte hinzu, daß alle zuhörenden Personen
verschont werden würden. Daraus sagte einer der Anwesenden, der
Vicomte de Flenry, sehr ungläubig und scherzend zu der Seherin:
,,Ach, Sie sagen das nur so. um uns zu schmeicheln!« In der
Tat ist keiner der zu dieser Soiree Eingeladenen, die alle mehr oder
minder regelmäßig bei den Wohltätigkeitsverkäufen zugegen waren,
umgekommen oder bei der schrecklichen Katastrophe des 4. Mai ver-
wundet worden. Unter den bei dieser Soiree Anwesenden befanden
sich: die Marquise d’Anglade, die Komtesse Virien, die Grafen
Divonne u. s. w.

Bezüglich der Sprechweise der Mlle. Couedon bei ihren pro-
phetischen Mitteilungen berichtet Herr Gaston Mery: ,,Sie spricht
oder vielmehr: sie leiert eintönig rhythmisch abgemessene Sätze her,
welche assonierend klingen und von denen manche refrainartig wieder-
kehren. Es sind keine Verse und auch keine Prosa; ein Mittelding,
etwas Unfaßbares ist es, was sich mit einer gewissen Melancholie
und Eintönigkeit endlos abwickelt, wobei fast unverändert dieselben
Assonanzen immer wieder hörbar werden.« —
Was nun noch den Irrtum anbetrifft, wie er nach dem oben
(S 103) angezogenen Pariser Berichte bei mancher anderen Weissagung
Frl. Couedon konstatiert worden ist, so ist zu bemerken, daß ein
solcher auch noch lange nicht etwa eine Täuschung ist. Der betreffende
Berichterstatter bemerkt sehr richtig:
Man mache sich nur das Wesen der Vision bezw. der Prophe-
zeiung klar: Der Prophet greift doch nicht die von ihm verkündeten
Ereignisse aus dem Schoße der Zukunft heraus, etwa so, als wenn
man aus einer Zigarrenkiste eine oder mehrere Zigarren herausnimmt.

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Beim Prophezeien kann es sich vernünftigerweise doch nur um die
Wahrnehmung entfernter Wirkungen handeln, deren, wenn auch noch
so verborgene Ursachen zur Zeit der Vorhersagung bereits gegeben
sind. Die Möglichkeit falscher Wahrnehmungen ist dabei sehr wohl
in Betracht zu ziehen. Irren ist nicht bloß menschlich, es ist auch
—— geistig. Wo steht geschrieben, daß Geister irrtumsfrei sind? Das
Dogma der Unfehlbarkeit hat in der übersinnlichen Welt genau so
wenig oder, um höflich zu sein, genau so viel Berechtigung wie in
unserer sinnlichen Welt. Allen Forschern auf okkultem Gebiete ist
aus Erfahrung bekannt, daß der Glaube an die Unfehlbarkeit der
Geister in gewissen Kreisen schon leider viel Unheil angestiftet hat.
Viele überzeugte Spiritualisten wissen, daß Geister Unwahrheiten
sagen, und vergessen merkwürdigerweise, daß sie auch irren können.
Ja, wirklich, wo man denkt, wird auch geirrt. Mag das denkende
Wesen Mensch oder Geist heißen, mag es sich um die sinnliche
oder übersinnliche Welt handeln, —— der Irrtum ist universal, ebenso
universal wie die ihm gegenüberstehende Wahrheit. Mögen also
bei Visionen auch noch so viele Unklarheiten, Ungenauigkeiten und
Irrtümer vorkommen, so beweisen sie nichts gegen die von vielen
ehrenwerten Personen bezeugte Tatsache, daß auch mindestens ebenso
viele Wahrheiten durch Somnambule verkündet worden sind. Die
in dieser Beziehung beobachteten Phänomene können den aufrichtigen,
vorurteilslosen Denker nur dazu zwingen, anzuerkennen:
1. daß dem Menschen Fähigkeiten innewohnen, welche weit
über die ihm durch die körperlichen Sinne gezogenen Grenzen
hinausreichen ;
2. daß übersinnliche intelligente Kräfte existieren;
3. daß übersinnliche intelligente Kräfte den Menschenkörper zu
beeinflussen vermögen.
Was insonderheit meine Weissagungen anbetrifft, so vermag ich,
dem eben Gesagten entsprechend, natürlich auch nicht zu sagen, ob
die vielen Prophezeiungen von mir, die veröffentlicht sind und sich
noch nicht erfüllt haben, auch sämtlich und genau eintreffen.
Hierzu möchte ich auch noch folgenden Passus aus einem, meine Seher-
schaft betreffenden Briefe des Herrn Dr. Egbert Müller anführen: »Nicht
in Erfüllung gehende Visionen können dennoch wirkliche Visionen sein, weil es
doch scheinen will, daß für die Vorgesichte des Sehers von dem wirklich in der
Zukunft geschehenden erst noch Zwischengesichte durchdrungen werden müssen
gerade wie wir mit unserem Denken oft erst durch eine Fülle unzutreffen-
der Gedanken endlich zu dem brauchbar richtigen hingelangen.«

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Es mögen sich Gesichte darunter befinden, die nicht wirkliche
Hellgesichte, sondern Phantasiebilder sind, die, mir unbewußt, sich infolge
irgendwelcher Beeinflussung, Störung oder Aufhebung des geistigen
Blicks bei mir einstellten. Nach den bisherigen Erfahrungen und
Resultaten glaube ich aber mit ziemlicher Sicherheit annehmen zu
können, daß in absehbarer Zeit weitere von den erwähnten publi-
zierten Vorhersagen mehr oder minder genau oder auch ganz exakt
eintreffen werden, deren öffentliche Bestätigung zum mindesten immer
wieder mit dazu beitragen dürfte, daß immer weitere Kreise den
ernsten Bestrebungen der okkultistischen Wahrheitsucher ihre Auf-
merksamkeit schenken.

Meine Visionen
über die Zukunft der Wissenschaft vom Geiste.

Ich glaube meine Darlegungen am besten damit zu schließen,
daß ich ——— im Zusammenhang mit einem kurzen Ausblick in die
Zukunft der Geistwissenschaft vom okkultistischen Standpunkt — das
Wesentlichste aus meinen Visionen und meinen daran geknüpften
Ansichten über die Aussichten mitteile, welche die Bestrebungen der
Geistbekenner haben dürften.
Daß die neue Bewegung, welche dem Okkultismus als Wissen-
schaft Anerkennung zu verschaffen sucht, unaufhaltsam fortschreitet,
kann nicht bezweifelt werden. Auch die eine unbeweisbare Vor-
aussetzung bildende allgemeine Erklärung der Gegner, daß die okkulten
Phänomene unmöglich seien, vermag für die Ausbreitung der Lehre
kein Hindernis zu sein. Diese Erklärung gilt nur vom Standpunkt
der heute herrschenden Anschauungen, und die Gegner können sich
nur auf das berufen, was man den gewöhnlichen Menschenverstand
nennt, der aber bekanntlich in jedem Jahrhundert ein anderer ist.
Der gewöhnliche Menschenverstand hat noch jedesmal, so oft eine
neue Wahrheit entdeckt wurde, von Unmöglichkeit gesprochen, hat
sich jedoch noch jedesmal blamiert. So ergeht es ihm auch in Bezug
aus die Geisteslehre.
Trotz aller Anfeindungen wird die neue Bewegung stetig an
Boden gewinnen; und einem Crookes, Zöllner, du Prel usw. werden
weitere Streiter in immer größerer Zahl folgen; desgleichen werden
echte Medien, die als solche unter einwandfreien Bedingungen die
Probe bestanden haben und die einem wirklich geistigen Antriebe
bei ihrer Hingabe zur Sache folgen, nach wie vor in allen Kreisen
»weiter wirken und damit zur ständig wachsenden Würdigung der
Sache beitragen.
Mir ist in zahlreichen Visionen der fernere Fortschritt der Be-
wegung gezeigt worden. Wenn dieser auch naturgemäß ein allmäh-

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licher sein wird, so wird er doch ein sicherer sein. Namentlich wird
meiner Ansicht nach die Zeit gar nicht mehr so weit entfernt sein,
wo man allgemein wenigstens zunächst das tatsächliche somnambule
Fernsehen in Zeit und Raum anerkennen und für eine ganz natür-
liche, wenn auch immerhin außergewöhnliche geistige Fähigkeit an-
sehen wird, die sich unter Umständen bei jedem Menschen zeigen
kann. Nach und nach wird dann die Welt zu immer größerer Er-
kenntnis kommen, und endlich wird man auch notwendigerweise zu-
gestehen müssen, daß die Okkultisten sich, wenngleich sie auch mehr
oder minder Irrtümern und Täuschungen bei ihren schwierigen
Forschungen ausgesetzt sein mögen, doch unzweifelhaft mit großen
beweisbaren Wahrheiten beschäftigen, die auf dem Vorhandensein
einer übersinnlichen Welt basieren und also mit irgendwelchem Aber-
glauben nichts zu tun haben.
Im Speziellen wurde mir in geistigen Bildern offenbart, daß
in nicht mehr ferner Zukunft auf allen Universitäten ein Lehrstuhl
für diese Wahrheiten und neue unbekannte Naturwissenschaft errichtet
werden und daß die Schritt für Schritt weiter erfolgende Anerkennung
oklulter Phänomene der Boden sein wird, auf dem sich die Kirche
mit der Wissenschaft in harmonischer Weise einigen wird, dadurch
Staat und Religion gestützt werden und ein neues goldenes Zeit-
alter für die Menschheit erschienen sein wird. Damit wird dann
auch die jetzt so sehr herrschende Religionslosigkeit aufgehört haben
und überhaupt der Untergang des Materialismus gegeben sein.
Der Spott aber, der die einem höheren Drange folgenden
Pioniere der großen geistigen Sache statt des Dankes zu teil wurde,
wird dann eine Ehrenbezeugung für dieselben sein, und den mutigen
Männern der Wissenschaft, die hinsichtlich der Erforschung und Be-
stätigung von okkulten Wahrheiten durch exakte Experimente ihren
zeitgenössischen Kollegen weit voraus waren, wird die Ehre und das
Verdienst zukommen, an dem als Bettelkind an die Pforte des
Tempels der Wissenschaft klopfenden Okkultismus nicht hochmütig
vorübergegangen zu sein, sondern dem in geistiger Beziehung fürst-
lichen Bettelkinde das von ihm erbetene Almosen der wissenschaft-
lichen Beachtung gereicht zu haben.
Was mich noch anbetrifft, so folge auch ich einem höheren
geistigen Antrieb bei meiner Hingabe zur Sache, die ich in ihrem
Kern als eine ohne jeden Zweifel wahre erkannt habe. Es ist mir
gewissermaßen zu einem Bedürfnis geworden, kundzugeben, was ich

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mit dem geistigen Ange sehe und dem geistigen Ohre höre, um die
Existenz der transzendentalen Welt zu bezeugen, und ich hoffe auch,
wenngleich ich in Anbetracht der Probleme, die meine Gabe bietet,
leicht Gefahr laufe, in meinen Bestrebungen verkannt zu werden,
meine diesbezügliche Betätigung, so lange ich nur irgend kann,
fortzusetzen.
Meinen Gesichten zufolge werde ich die Gabe, die mir die
Natur verliehen, meine Visionen u. behalten bis zu meinem Hinüber-
gange in jene Welt, mit der ich mich schon jetzt in so enger Ver-
bindung fühle, —— von deren Vorhandensein ich mich also vollständig
überzeugte, ja, mich habe überzeugen müssen durch zahllose Erleb-
nisse, die nicht auf Einbildung, lebhaftem Traum, oder sonstiger
Täuschung beruhen konnten.


Schlußwort
Ich habe mich bemüht, den Lesern durch vorstehende Darlegungen
ein Bild meiner Erfahrungen in Bezug auf die übersinnliche Welt
und damit einen Einblick in mein somnambulen Leben bezw. in meine
Mediumschaft, sowie in meine Ansichten über daß: bezügliche okkulte
Gebiet zu geben, und ich hoffe, daß viele Leser in dem Mitgeteilten
die Bestätigung von festgegründeten Anschauungen, die sie sich sowohl
auf Grund theoretischen Studiums als auch aus Grund von olkultistischen
Erfahrungen schon längst selbst bildeten, gefunden haben. Es sollte
mich freuen, wenn das von mir Versicherte noch zur Unterstützung
der auf diesen Anschauungen gewonnenen Überzeugung beitragen
möchte, sowie ferner die skeptischen und sonstigen Leser, die dem
Okkultismus bis jetzt noch nicht näher getreten sind, wenigstens zu
weiterem Nachdenken über die Sache angeregt haben würde und sie
sich alsdann auch näher mit derselben — zunächst am besten mit
ihrer Theorie, dann experimentell durch Besuch von Sitzungen oder
auch Errichtung von Familienzirkeln —— beschäftigen würden, wobei
ich nicht zweifle, daß sie dieselbe Überzeugung gewinnen werden,
zu der alle diejenigen gelangt sind, die sich ernstlich und eingehend
mit der Sache befaßten, — nämlich die Überzeugung, daß die
spiritistische Lehre eine durchaus vernünftige und die spiritistischen
bezw. okkultistischen Phänomene unumstößliche Tatsachen sind und
demgemäß die allgemeine Anerkennung des Spiritismus, die der
gesamten Menschheit zum Segen gereichen muß, auch nicht ausbleiben
wird. Es würde damit der Zweck meiner Schrift voll und ganz
erfüllt sein.

Die Verfasserin.


Prognosen sind schwierig, besonders, wenn sie die Zukunft betreffen. (Karl Valentin)


Gesamter Strang: