Waffen und Zauber (Schauungen & Prophezeiungen)

chaosad, Montag, 14.12.2015, 17:31 (vor 3062 Tagen) @ throne (1817 Aufrufe)

Hallo throne,
deine Theorie stocherte mich richtig an, den Spieß in der Saga von „Brennu-Njáll“ nochmals genauer zu untersuchen. Da ich die Formulierung „der Hauspieß zittert“ jetzt in keiner Passage mehr gefunden habe, nehme ich an, dass ich das „Singen des Spießes“ fälschlicher Weise mit der Vibration einer schwindenden Metallklinge in Verbindung brachte. Hier wird also Folgendes berichtet:

Ein Mann, Hallgrim, besitzt einen Hauspieß, den er so hat verzaubern lassen, dass ihn keine andere Waffe töten kann außer diesem Spieß. Zu dem Zauber gehört auch, dass man hört, wann der Spieß tödlich treffen wird, denn dann singt es vorher laut in ihm, soviel magische Kraft wohnt ihm inne. In einem Kampf wird Hallgrim von Gunnar getötet, seitdem trägt Gunnar den Spieß stets bei sich. Bei diversen Kämpfen stellt sich der Hauspieß stets als beste und oft rettende Waffe heraus.
Weiters wird erzählt, als Gunnar und seine Männer an der Rangá aufwärts ritten, sich der Hauspieß auf einmal mit viel Blut färbte. Ein Begleiter fragte, was das zu bedeuten habe. Gunnar antwortete, ähnliche Ereignisse würden in anderen Ländern Blutregen genannt, und würden große Schlachten ankündigen.
Viele Kämpfe später wird Gunnar von einer Übermacht von Angreifern besiegt und getötet. Der Spieß stand ihm bis zum Schluss treu zur Seite, allein die Rachsucht seiner Ehefrau ließ ihn scheitern.
In weiterer Folge möchte Gunnars Sohn den Tod seines Vaters rächen. Der Spieß wird von der Wand genommen, und es singt in ihm. Gunnars Mutter fährt auf und fragt wütend, wer sich da an dem Spieß vergreift, sie habe doch allen verboten, ihn anzufassen. Der Sohn antwortet, er wolle ihn seinem Vater bringen, damit er ihn mit nach Walhall nimmt und in der Schlacht dort einsetzen kann. Darauf entgegnet sie: "Vorhin wirst du ihn selbst einsetzen und deinen Vater rächen, denn der Spieß kündet den Tod eines oder mehrerer Menschen an."
Soviel zum Hauspieß in der „Brennu-Njáll“ Saga.

Eine weitere Saga, in der der Hauspieß vorkommt, ist die „Erzählung von Gold-Ása und Þórð“. Auch hier sind Zauber und Rache im Spiel.
Hákon wollte sich an Þórleif für erlittenen „(…) Schmähungen rächen, wenn er die Gelegenheit dazu bekäme, und bat seine Vertrauten, Þórgerð Hörgabrúð und ihre Schwester Irpa, den Zauber auszuführen, der Þórleif auf Island vernichten sollte. Er bringt ihnen große Opfer dar und fragte sie nach der Zukunft. Als er das zu hören bekam, was ihm günstig erschien, ließ er ein Stück Treibholz holen und daruas eine hölzene Figur schnitzen. Unter Zauberei und Beschwörungen des Jarls und Wahrsagerei und mit Hilfe der dämonischen Natur der Schwestern ließ er einen Mann töten und ihm das Herz herausschneiden und in den Holzmann einsetzen. Anschließend kleideten sie ihn an und gaben ihm einen Namen und nannten ihn Þórgarð. Sie flößten ihm mit Hilfe großer teuflischer Macht magische Kräfte ein, so dass er umhergehen und mit Menschen reden konnte.
Daruafhin brachten sie Þórgarð auf ein Schiff und schickten ihn mit dem Auftrag nach Island, Þórleif den Jralskalden zu töten. Hákongab ihm einen Hauspieß mit, den er aus dem Tempel der beiden Schwestern genommen und den Hörgi früher besessen hatte
“ (Isländer Sagas 4, Böldl).

In „Die bekehrung des norwegischen stammes zum christenthume: in ihrem geschichtlichen verlaufe quellenmässig geschildert“ (1856) von Dr. Konrad Maurer steht Folgendes zum Hausspieß:
In der Sturlunga Saga waren „Leute in die See hinausgerudert; die sahen Feuer in der See dem Meere zu, und kurz darauf sehen sie Blut auf ihren Kleider, und wußten nicht woher es gekommen war; Blut sah man weit herum, wo die Leute keinen Grund davon wußten. Thorbjörn hieß ein Mann, er war des Magnus Sohn, (…), er ging aus des Nachts vor der Ambrosiusmesse den Winter voher als Rafn starb (d.h. am 3. April 1212); er sah in Südost in der Luft, wie ein Feuer von Südost gegen Westen fuhr, und hinter dem Feuer sah er einen Mann reiten auf einem weißen Pferde, auf einem Standsattel; er hatte einen weißen Schild, eine Helm auf dem Kopfe und eine großen Hauspieß in der Hand, und er legte den Spieß vor, dem Pferde zwischen die Ohen, und er sah daß der Spieß weiter vor reichte als das Pferd, und ebenso zurück." (S. 404)

Altnordisches Leben. Dr. Karl Weinhold (1856): Im 2. Abschnitt Nahrung, Kleidung, Schmuck, Waffen, Wohnung ist zu lesen:
(…)der Hauspiess (höggspiot) dessen Eisen breiter und länger und darum zum Hieb geschickt war, den man aber nicht, wie geschehen ist, mit dem Schwerte für eins halten darf (…). Dagegen bezeichnen höggspiot und kesja dieselbe Spiessart. Die kesja wird und in der Egilsaga (…) genau beschrieben; es heisst dort: ‚Thorolf hatte eine kesja, deren Eisen (fiödr) zwei Ellen lang war un in einen viereckigen Stachel (broddr ferstrendr) endigte; oben war das Stecheisen breit Die Tülle (flar) war lang und stark un ein Eisenstab gieng hindurch; der ganze Schaft war mit Eisen beschlagen und sehr dich, nicht höher als dass man mit der Hand die Tülle erreichen konnte.‘“. (S. 194)

Ende der kleinen Waffenkunde.

So wie es scheint, ist der Hauspieß eine Waffe des nordischen Altertums wie jede andere, allerdings hat er, sofern verzaubert, besondere Eigenschaften. Offenbar bestand ja die Vorstellung, dass Gebrauchsgegenständen durch die Anwendung von Runenzaubern magische Eigenschaften verliehen werden konnten. In der Edda steht in den Runenlehren im Abschnitt E erster Absatz dazu Folgendes:

Siegrunen lerne,
willst du Sieg haben!
Auf den Schwertknauf
Schneide sie,
auf die Blutrinne
und des Rückens Breite
und ruf zweimal Tyr!

Die Runen, welche Odin ja im Verlauf seines Selbstopfers ersann, stellen eine Verbindung zwischen dem (Alltagsleben der) Menschen und dem Göttlichen her. Da von Odin gegeben, stellen sie ein legitimes Mittel zur Kontaktaufnahme mit dem Übersinnlichen dar mit dem Zweck, das eigene Schicksal zu beeinflussen und die Zukunft in die gewünschte Richtung zu lenken. Aber wahrscheinlich hatten sie nicht nur rituellen Charakter, sondern waren auch auf andere Art und Weise „alltagstauglich“?
Warum dieser Beitrag so ausschweifend wurde, liegt auch daran, dass ich die Textstellen, in denen der „Blutregen“ als auch uns bekanntes Omen beschrieben wird, nicht vorenthalten wollte. Auch das Feuer, das durch den Himmel fährt, fand ich interessant (obwohl Island und Feuer - ist ja erst nicht soo außergewöhnlich…).

Grüße Christi

PS: Als Alarmanlage fungiert in der Brennu-Njáll Saga übrigens ein Hund namens Sam, den Gunnar als sein Ziehkind bezeichnet.


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