Seherinnen und mehr (Schauungen & Prophezeiungen)

chaosad, Sonntag, 13.12.2015, 12:13 (vor 3063 Tagen) @ DcDruide (1930 Aufrufe)

Hallo McDruide,

vielleicht interessiert dich das: Nach Rudolf Simek (Lexikon der germanischen Mythologie) wurden bei den Germanen insbesondere den Frauen prophetische Gaben zugetraut und manche der Frauen wurden ausdrücklich als Wahrsagerinnen verehrt. Simek erwähnt in diesem Zusammenhang unter anderem Tacitus, der berichtet in Germ8: "Die Germanen glauben sogar, daß (sic!) den Frauen etwas Heiliges und Seherisches innenwohne". Er führt die Seherinnen Veleda und Albruna an. Strabo schreibt von alten Frauen in weißen Gewändern, die mit dem Heer mitzogen und aus dem Blut der Gefangenen die Zukunft weissagten.
Bernhard Maier unterscheidet in "Die Religion der Germanen" zwischen einer passiven Art der Wahrsagung, bei der die Deutung von Vorzeichen, "die sich von selbst einstellten und nicht willentlich herbeigeführt wurden". Beispiele: Germanische Seherinnen beobacheten die Strudel der Flüsse und aus den Wirbeln der Strömung und ihrem Tosen zogen sie Rückschlüsse auf den geeigneten Zeitpunkt für eine Schlacht (Caesar 19). Auch die Tierbeobachtung war ein wichtiges Thema: Vogelflug, Art der Vogelstimmen spielten eine Rolle, des weiteren wurden die Ahnungen und Warnungen von Pferden erkundet für die Zeichendeutung. Eine weitere wichtige Rolle spielt neben der Beobachtung von Vorzeichen die Losbefragung anhand von Zweigen.
Jetzt wird es ein bisschen unappetitlich: Die Seherinnen schlitzten offenbar auch die Kehlen oder Leiber von Gefangenen auf und sagten anhand des Blutes und der Art und Weise, wie die Eingeweide aus dem Leib quollen, die Zukunft voraus (S. 77ff). Das dürften dann wohl die herbeigeführten, aktiven Aspekte der Weissagung sein.

Dann fällt mir noch ein, dass beispielsweise in der Saga von Egil Skalla-Grimsson (Isländer Sagas Teil 1 von Klaus Böldl) und auch in anderen Sagas immer wieder der sogenannte "Hausspieß" erwähnt wird. Dieser beginnt vorausschauend zu zittern, sobald sich für die Sippe ein Unheil anbahnt. Leider konnte ich bei meinen Recherchen nichts zu diesen Hausspießen finden, außer kulinarische Angeboter diverser Gaststätten ;-) .

Zu den Kelten kann ich folgende Informationen liefern:
 Auf der Insel Sena wird ein spezifisch weiblicher Kultverband überliefert. Dort gab es eine Orakelstelle, der neun ewige Jungfrauen dienten.
 Auch von Strabon wird Ähnliches überliefert, er vergleicht die Bewohnerinnen einer Insel an der Loire-Mündung mit den Bacchantinnen des Dionysos (Quelle Uni-Vorlesung).
Achja, und die "Vates" wären noch keltische Seher. Da kann man bei Wikipedia nachlesen, mehr weiß ich da auch nicht.

Noch etwas zu den Germanien: die Fylgien ("Folgegeister"). Sie sind vom Leib losgelöste Seelenwesen, welche nur im Traum oder von seherisch begabten Menschen wahrgenommen werden konnten. Sie erscheinen in Frauen- oder Tiergestalt, sind aber eine Art Doppelgänger des Menschen, die statt seiner agieren oder als ominöse Vorzeichen auftreten können (Quelle Simek, wie oben, S. 122f).

Mir scheint, dass Prophetie und Weissagung fix in das Leben von Kelten und Germanen eingeflochten waren und Menschen mit derlei Fähigkeiten einen Sonderstatus innerhalb der Gesellschaft hatten, und keineswegs an den Rand gedrängt waren. Vielleicht erfüllten sie eine Art "Nachrichtendienst"?

Ich hoffe, ich konnte weiterhelfen und es war auch etwas Neues für dich dabei.

Gruß Christi


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