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Schicksal vs. Kausalität (Schauungen & Prophezeiungen)

Taurec ⌂, München, Donnerstag, 25.10.2012, 15:01 (vor 4207 Tagen) @ Taurec (6438 Aufrufe)

Hallo!

Ich versuche als hoffentlich nicht ganz unverständliche Antwort auf einige Beiträge dieses Fadens, mich der Angelegenheit mittels einer Allegorie zu nähern:
Ein Mensch trifft während seines Lebens beständig Entscheidungen, die er sich rational begründet, um durch ein angenommenes Ursache-Wirkungs-Prinzip selbstgesetzte Ziele zu erreichen. Das kann sowohl alltägliche Entscheidungen als auch die gesamte Lebensplanung betreffen. Mit dieser Betrachtungsweise begehen wir unser Leben. Sie ist uns angeboren und wir begründen unser Freiheitsgefühl darauf, daß wir selbst entscheiden. Daß der Mensch tatsächlich kein völlig rationaler "homo oeconomicus" ist, oft Entscheidungen intuitiv und ohne ausreichende Informationsgrundlage fällt oder gar Entscheidungen, die ihm offensichtlich schaden, sich rationalistisch schönredet, ist dabei zunächst zweitrangig.

So bildet sich der Lebenslauf eines Menschen vermeintlich aus der Aneinanderreihung rationaler Entscheidungen, wobei er den Eindruck hat, sein Leben kausal selbst zu bestimmen. Aus der Distanz betrachtet und rückblickend offenbart sich hingegen eine ganz andere Regieführung, nämlich eine schicksalhafte. Das beginnt schon bei den Voraussetzungen, indem der Mensch keinen Einfluß auf die Nation, die Zeit, den Stand, seine körperlichen und geistigen Eigenschaften und die Qualität der Umwelt hat, in die er geboren wird.
(Karmisch betrachtet hat er diesen Einfluß doch. Er liegt jedoch außerhalb des inkarnierten Einzelmenschen, den wir hier betrachten. Er trifft diese Entscheidung nicht selbst, kann sie jedoch durch sein Sein für das nächste Leben indirekt beeinflussen.)
Das Schicksalhafte zeigt sich aber auch im laufenden Leben, indem den Menschen Schicksalsschläge treffen, die er nicht abwenden kann, und indem seine Entscheidungen Wirkungen hervorrufen, die er nicht bedenken kann. Er findet sich vielleicht irgendwann in einer Situation wieder, in einer Stellung und mit Mitmenschen, die nicht seinem vorgefaßten Plane entsprechen, weil das Schicksal ihn trotz seiner kausalen Entscheidungen durch den nicht beeinflußbaren Teil seines Lebens (was einem zu-fällt) in eine bestimmte Richtung gelenkt hat. Rückblickend vermögen manche Menschen in ihrem Lebenslaufe einen roten Faden zu erkennen, einen Schicksalsfaden, der sich durch alle Wendungen des Lebens webt und ein Muster erkennen läßt, das nicht im Plane war. So wird das Leben trotz des Eindrucks des Selbstbestimmtseins anders verlaufen als geplant. Das Schicksal ist mächtiger als jede Kausalität, als jeder menschliche Plan.

Diese Gesetzmäßigkeit der Lebensgeschichte läßt sich auf die menschliche Weltgeschichte übertragen. Auch hier sind die menschlichen Pläne, die zweifellos vorhanden sind, zweitrangig dem Verlaufe gegenüber, den die Geschichte trotz der Planungsversuche nimmt. Auch hier webt sich ein Schicksalsfaden durch alle geschichtlichen Wirren, welcher von den planenden Gruppen nicht bedacht werden kann und der zu überraschenden Lagen führt. Eine falsche Sicht auf diese Tatsachen haben Verschwörungstheoretiker, weil sie ähnlich dem Einzelmenschen, der sein Leben in sämtlichen Zügen selbstbestimmt wähnt, glauben, daß der rote Faden, den sie rückblickend erkennen, das Ergebnis rationaler menschlicher Entscheidung sei. Es fehlt ihnen schlichtweg der Blick auf die Schicksalsseite des Lebens, der wohl in gewissem Maße angeboren sein oder frühzeitig ausgebildet werden muß. In der kausalen Wahrnehmung muß rückblickend alles als Ergebnis sinnvoller Planung erscheinen, gleich was überhaupt geschieht. Somit haben Verschwörungstheoretiker immer recht und sind nicht widerlegbar. Sie werden auch vorblickend recht behalten in dem Maße, in welchem sie mit ihren Theorien die Welttendenz erfaßt haben (womöglich sind die berühmten Protokolle ein solcher Treffer eines genialen Fälschers). Je mehr sie ins Detail und zur Voraussage einzelner Ereignisse übergehen, desto eher werden sie jedoch falsch liegen. Da her rührt das Stochern der Verschwörungstheoretiker im Nebel hinsichtlich dessen, was als nächstes geschieht. Sie extrapolieren einen menschlichen Plan, den es nicht gibt und den sie aus der Fehlverständnis der Welttendenz gewonnen haben.
Der Schicksalsseite des Lebens eingedenk muß der große Verlauf jedoch nicht als Plan, sondern als natürliche Gesetzmäßigkeit erscheinen. Den „großen Plan“ des Weltumsturzes gibt es nicht, jedoch kleinere, die erfolgreich sind, wenn sie in Richtung der Welttendenz, des „großen Musters“ gefaßt wurden. Die Handelnden selbst sehen oft nicht weit, sind mehr vom Schicksal getriebene, deren Ziele in die größere Logik der Geschichte eingebunden sind, ungeachtet ihres persönlichen Wollens.
Die beiden Betrachtungsweisen des Lebens und der Geschichte gehen also von gegensätzlichen Ansätzen aus und sind deswegen einander unvermittelbar. Das macht Diskussionen darüber so wenig fruchtbringend.

Oswald Spengler schreibt in „Jahre der Entscheidung“ übrigens selbst, daß die Auflösung der politischen Formen der Kultur zugunsten der Demokratie und Herrschaft anonym bleibender Geldmächte durch Kräfte des Umsturzes und der Zersetzung, in wesentlichen Zügen das Ergebnis einer zielbewußten Arbeit sei. Das war aber nur möglich, weil die Kultur in ihrem schicksalhaften Lebenslauf ihr naturgemäßes Ende gefunden hatte. In ähnlicher Weise wird der Körper nicht von Maden und Aasfressern zersetzt werden, solange noch ein Herz in ihm schlägt und das Blut zirkuliert.

Gruß
Taurec


„Es lebe unser heiliges Deutschland!“

„Was auch draus werde – steh zu deinem Volk! Es ist dein angeborner Platz.“


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