Geisterseher (Schauungen & Prophezeiungen)

Gerhard, Dienstag, 30.03.2010, 23:29 (vor 5158 Tagen) @ trace (4316 Aufrufe)

Hallo, Trace, die ganze Angelegenheit ist noch viel, viel schlimmer, als Du sie darstellst.

Denn es gibt eigentlich keine vergangene, noch eine gegenwärtige, noch eine zukünftige Realität "an sich". Die Realität existiert nur im Bewußtsein desjenigen, der die Realität anschaut. Und ein solches Bewußtsein ist immer subjektiv.

Nehmen wir einmal an, ein Meister wie Irlmaier sieht in der Schau einen Soldaten in Russland fallen (weil ihm eine Mutter ein Bild ihres Sohnes vorgelegt und dem Irlmaier ihre schmerzhafte Frage gestellt hat). Irlmaier mag dann ein sehr realitätsnahes Bild des Ereignisses "sehen" und kann es in Worten wiedergeben, während eine Krähe, die nebenan auf dem Baum sass, als der Soldat im Dreck starb, etwas ganz anderes sieht und - außer einem Krächzen - stumm bleibt (obwohl sie sicher auch "weiß", dass der Mann gerade stirbt **). Und der russische Soldat, der die Granate warf, sah wieder etwas anderes - in seinem Augenwinkel, in Eile, natürlich auch den Tod ...

Von einem Seher wie Irlmaier erwarten wir, dass er seine Wahrnehmung autonom über Raum und Zeit hinweg lenken und auf eine spezifische Sache focussieren kann. Bei den meisten anderen Sehern/Seherinnen ist solch eine handwerkliche Souveränität nicht vorhanden. Und zu oft landen sie dann nichteinmal in der vergangenen bzw. künftigen Realität, sondern sie landen nur im Bewußtsein eines anderen Menschen, sei der nun lebend oder bereits tot (oder auch noch gar nicht geboren?). In diesem Fall nimmt der Seher nur das wahr, was ein anderer denkt oder sieht oder fühlt (BB bezeichnet das manchmal etwas unklar als "Sehen mit den Augen eines anderen"). Das ganze "Channeling" seit Allen Kardecs Geisterseherei geht ziemlich in diese Richtung. Und manchmal denke ich mir, dass wenn 10 Millionen Menschen Emmerichs Katastrophenfilme ansehen, wohl die ganzen Bilder auf der Leinwand auch im Bewußtsein der Kinobesucher noch lange nachflimmern - und damit grundsätzlich durch Hellsichtigkeit zugänglich sind. In diesem Fall ist die Hellsichtigkeit eine ganz gewöhnliche Telepathie.

"Da draußen" ist also nicht nur künftige oder vergangene Realität, sondern da draußen ist tausendmal mehr Subjektivität. Und in dieser Subjektivität sind schon viele "Seher" versumpft - ganz abgesehen von der sehr persönlichen Subjektivität, mit der sich jeder Seher dann noch sein eigenes Bild der vermeintlichen Realität zusammenbastelt - zu oft mit fraglichen Mitteln (Symbolismen, Übertreibungen, Verzerrungen, Ängste, Einbildungen, ungenügendes Wissen, mangelnde Erfahrung etc.). Ich will aber mit diesen kritischen Bemerkungen nicht die "Schauungen" Anderer schlechtreden. Eine Schau bzw. die Gabe zur Schau ist ein Geschenk des Geistes. Wohl dem, der dieses wunderbare Geschenk wertschätzt und im Laufe seines Lebens positiv entwickelt!

Wirklich "realistisches Sehen" ist extrem selten. Meist ist das Sehen eingetrübt durch die die eigene und/oder durch eine fremde Subjektivität. ****) Und im schlimmsten Falle ist das Sehen ausschließlich "fremde Subjektivität". Das ist dann so, wie wenn jemand die Zeitung liest oder TV schaut - also die "Realität" aus zweiter, dritter, vierter, fünfter Hand entgegennimmt, die Phantasien anderer wiederkäut ...

Zum Schluß noch ein paar direkte Kommentare zu Deinem Beitrag:

Aber niemand der geschichtlich
ach so bewanderten Forumsschreiber hat sich jemals ernsthaft damit
befasst, hier eine Selektion anzusetzen.

Ich denke, wir tun das schon. Beispielsweise geht es im Kern unserer Bemühungen um eine merkwürdige Ereigniskombination von einem "großen, stark technikgestützten Kriegszug", der flankiert wird von ganz spezifischen geschichtlichen Entwicklungen und von ganz spezifischen, außeraußerordentlichen "Naturereignissen". Dieses besondere Muster hat es in der Vergangenheit noch nicht gegeben.

Wer soll das alles auseinander dröseln können?

Wir dröseln auseinander. So gut wir das halt vermögen. Und durch Deinen Hinweis auf Freiherr von Trencks mordlustigen Haufen hast Du ganz wunderbar mitgedröselt!

Wir danken Dir, Trace!


**) in bestimmten traditionellen "Einweihungen" (Schamanismus) muss der Lehrling unter Umständen lernen, mit dem Bewußtsein einer Krähe, eines Kojoten oder eines anderen Tieres zu sehen. Man könnte sagen, dass dann der Betreffende, wenn ihm das tatsächlich gelingt, kein Mensch mehr ist ...

****) das klassische Beispeíel für die Anrufung eines "jenseitigen Geistes" ist Odysseus' Gang in den Hades (bzw. sein "Geist" ging in den Hades!), um dort den "Schatten" des Teiresias zu befragen - denn auch der "Schatten" des Teiresisa hat noch die Fähigkeit, in die Zukunft zu sehen. Odysseus und Teiresias waren Meisterseher. Von solchen Profis können wir heute nur träumen. John XXL geht zurück auf einen dieser Meister, der ungefährer Zeitgenosse des Odysseus war (S. 145: "das Haupt der Insel der Ägäis spricht heute").


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