antonius und aloisius, vermutungen (Schauungen & Prophezeiungen)

Gerhard, Samstag, 29.10.2011, 15:08 (vor 4585 Tagen) @ Taurec (1530 Aufrufe)

Hallo Taurec und BB!

Ich wollte mit meinen letzten beiden Beiträgen anregen, dass wir uns Irlmaier nicht isoliert und als den großen Seher vorstellen sollten, der einsam steht und alle anderen überragt. Auch große Bäume wurzeln im selben Boden wie der übrige Wald. Irlmaier hatte sehr viele Kontakte, darunter (worauf Elfe ganz richtig hingewiesen hat) auch solche zum Establishment, das ihm ganz andere Fragen gestellt hat, als die Leute vom Land (ich verweise besonders auch auf den Besuch des Konstantin von Bayern bei ihm 1948). Außerdem, und das ist für uns am wichtigsten, geriet er offenbar in die damals wieder neu aufgewühlte Prophezeiungsszene hinein - das heißt, es wurden ihm gewisse Informationen zugetragen und er wurde nach bestimmten Dingen gefragt. So wie ich ihn einschätzen möchte, hat er wahrscheinlich gar keine Lust gehabt, weltgeschichtliche Prophezeiungen zu äußern, höchstens in sehr privatem Rahmen, aber er hat dem Sog dann doch eine Zeit lang nachgegeben.

Für mich ist die große Frage, wie sich die geschichtlichen Schauungen beim ihm ausgelöst haben. Da er sehr vermutlich niemand begegnete, der das dritte Weltgeschehen real noch erleben wird (na ja, vielleicht ein Kind, das 1958 in einem Kinderwagen in Rosenheim lag ...), können die weit in die Zukunft reichenden Schauungen nicht aus der Resonanz mit einer direkt vor ihm stehenden Person stammen. Von was wurden die "großen Visionen" (Heersäulen, Untergang von London und Prag etc.) dann angestoßen? Ich persönliche vermute, dass er früh schon einzelne spontane Gesichte hatte, die er zunächst wohl nicht richtig einordnen konnte. Nach der intensiveren Bekanntschaft mit überlieferten Prophezeiungen mag er dann diese Gesichte strukturiert und vielleicht auch häufiger und deutlicher empfangen haben. Ich möchte sogar annehmen, dass er manchmal über bestimmte Dinge nachgedacht hat, und darf hierzu ein Beispiel konstruieren. Sicherlich hat er das Lindenlied gekannt und sich wahrscheinlich die Frage nach "der Erde Riss" gestellt. Diese Voraussage geht auf die Jahenny zurück (von biblischen Bildern abgesehen - falls jemand andere "Vor"bilder kennt, würde ich um Mitteilung bitten). Irlmaier mag sich, wie auch wir, Gedanken darüber gemacht haben, was dieser Riss wohl wäre. Für mich ist nun interessant und auch sehr wichtig, dass er keinen Impakt gesehen hat und auch keinen Vulkanausbruch, auch keinen Böhmerwald und keine Tschechei "die durch die Luft fliegen" - obwohl er das seiner Begabung nach doch hätte "schauen" können. Also gibt es das alles gar nicht!!?? Den einzigen Riss, den Irlmaier uns dann liefert, ist ein Ereignis, das einige Monate vor dem Krieg stattfinden soll (und sehr auffällig ist!), und das eher wieder in Resonanz zu seiner beruflichen Tätigkeit steht, nämlich die Dinge unter der Erde zu finden ...

http://www.alois-irlmaier.de/Sonderpost.htm

In der systematischen Arbeit mit Schauungen sind zwei Ansätze gleichzeitig zu verfolgen. Zum einen sucht man nach Ähnlichkeiten in den Schauungen, muss dabei aber rigoros herausschneiden, was von Übertragungen stammt, und letztere gibt es nicht nur mündlich und literarisch sondern auch (schlagwortartig ausgedrückt) auf "telepathischem Wege", über die Zeiten hinweg. In der Summe ergeben die Ähnlichkeiten in den Schauungen ein farbloses und abstraktes Bild, etwa von "Fluten an den Küsten" oder von "Russen in Deutschland" oder von einer "Dunkelheit". Das ist schon mal wertvoll. Der andere Ansatz sucht in den Schauungen das ganz Spezielle und Individuelle, und je eigenartiger (in einem gewissen Rahmen) das ist, umso interessanter sind solche Schauungen - wie etwa der "Funkenregen" oder der "Gelbe Staub". Mit der Individualität wächst meist (aber nicht immer) auch die Authenzität. Deswegen wehre ich mich heftig, wenn jemand interessante Schauungsbilder, die wir im Augenblick noch nicht voll verstehen, mit irgendwelchen Erklärungen glattbügeln und in eigene VORSTELLUNGEN einordnen will. Die wertvollsten Schauungen sind schließlich diejenigen, die im Besonderen auch das Allgemeine erkennen lassen.

Deshalb noch ein paar Worte zu Antonius von Aachen (=AvA, der eigentlich aus Köln stammt). Was "er" erzählt (wohl etwas modifiziert durch seinen Bruder, 1858, und Abbe Curicque, 1870), ist ein Kriegsgeschehen am Rhein, vor allem im Raum Köln, dessen Schilderung vom breiten Sagenstrom, den es hierzu ebenfalls gibt **), deutlich abweicht. AvA teilt im Gegensatz zu letzterem kostbare individuelle Einzelheiten mit, etwa räumliche Bewegungen oder die (für 1850ff) eigenartige Parteiung "Franzosen gegen Russen" oder auch das Alter des Kaisers oder auch die "Krankheit" nach diesem Krieg. Deswegen ist AvA ein wertvoller Zeuge (ohne dass nun alles stimmen muss, was von ihm überliefert wurde). Jedenfalls lässt er allgemein Bekanntes ("Russen in Westdeutschland", Dank von mir an Alex für die Karten!) in Verbindung mit sehr Spezifischem erkennen (z.B. auch die Schlacht bei Siegburg - die vielleicht aber auch symbolisch zu verstehen wäre). Und sowas ist immer wertvoll, selbst wenn wir gewisse Zweifel zu AvA haben.

Antonius von Aachen ist ferner eine gute Gelegenheit, einmal darauf hinzuweisen, dass der "Große Monarch" ein Motiv ist, das aus Frankreich stammt. Es gibt zwar auch bei uns einzelne vergleichbare, aber doch sehr dünne Überlieferungsstränge (etwa der im Berg versteckte Kaiser, der einst wiederkommen wird ***). Aber die eigentliche Quelle für den "Großen Monarchen" ist die katholische französische Tradition, zu der wir auch Nostradamus zählen dürfen. Deswegen wurde wahrscheinlich die Erinnerung an die Schauung des AvA (die ja eine Begegnung von Papst und Monarch enthält) gerade in Frankreich bewahrt, bei uns dagegen war AvA völlig vergessen.

Ich möchte behaupten, dass der Wunsch nach einem "Großen Monarchen" dem deutschen Wesen, so wie ich es aus der Beschäftigung mit der deutschen Geschichte zu kennen vermeine, in der Summe fremd ist. Das wird schon in den Anfängen deutlich: vor ziemlich genau 2000 Jahren standen die Germanen unter Arminius in einem verzweifelten Existenzkampf gegen die Römer. Nach dem Jahre 9 waren alle Schlachten für die Germanen unentschieden oder verloren - und dennoch zogen die Römer am Ende frustriert und zermürbt ab. Ohne Arminius hätten die Stämme dies nicht leisten können. Als aber Arminius Bestrebungen zeigte, König von Germanien zu werden, haben engste Verwandte und Freunde (!) ihn erdolcht.

Der Sieg über die Russen wird, wie damals gegen die Römer, nicht gewonnen sondern erlitten. Weil er nicht mehr allein aus unserer eigenen Kraft resultiert, werden wir den Monarchen akzeptieren müssen. Doch die Idee des Monarchen ist nicht die unsere.

Gerhard

**) vegl. hierzu Hänssler, Spielbähn, den Anhang ab Seite 148
***) siehe Lauchert, Kaiserprophetie


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