Bitte nicht zuuu viel Zuckerwatte - (Schauungen & Prophezeiungen)

Gerhard, Montag, 25.04.2011, 20:54 (vor 4753 Tagen) @ Ulrich (2699 Aufrufe)

- lieber Ulrich,

denn ich habe Angst, dass Du mir dann im Jahrmarktsrummel abhanden kommen könntest. Der Unterschied zwischen der Schießbude und Dir ist nämlich der, dass Du mit scharfen, echten und wahrhaftigen Geschossen schießt. Und ich liebe es, wenn solche Kugeln pfeiffen!

Insgesamt hast Du nun drei (eventuelle) Modelle für die John.Proph.XXIII (=PJ) aufgestellt:

(1) sie ist eine theosopische "Veranstaltung",
(2) sie ist eine Heuchelei, Lügnerei und Verfälschung von Carpi,
(3) sie ist eine PR-Aktion von Licio Gelli.

Das ist ein bißchen viel auf einmal, und ich weiß auch nicht, ob es zwischen diesen Varianten auch noch Querbeziehungen geben soll.

ad (1)

Die Lady (Caithness, Maria de Mariategui, Duchesse de Medina Pomar) ist schon lange tot, der von ihr gegründete Zweig der Theosophie verdorrt. Ihr einst nahe- und noch heute bestehende andere Zweige (etwa die Église gnostique apostolique) halte ich nicht für fähig, einen Text wie die PJ in die Welt zu setzen. Es fehlt mir also die Verbindung von der Duchesse zur Gegenwart (oder meinetwegen zu den 1970er Jahren), es fehlt mir ein erkennbares Motiv, ein Interesse, ein Zweck. Bei Filmen und Romanen findet sich im Abspann oft der Satz "Ähnlichkeiten zu lebenden Personen sind reiner Zufall". Nicht ganz so schlimm, aber doch ungefähr so stelle ich mir das hier ebenfalls vor. Jedenfalls aber fand ich Deinen Hinweis auf die Theosophie und speziell MdM sehr wertvoll und werde, wenn zurück in Deutschland, mir die Bücher von MdM genauer ansehen.

Übrigens habe ich mich ganz am Anfang meines Studiums der PJ auch von der Carpi-Rahmenstory mißleiten lassen und bin all den Geheimgesellschafts-Angelegenheiten nachgegangen, über die er schreibt. Habe sogar all den Ablegern westlicher Geheimgesellschaften im Nahen Osten und der Türkei nachgegrubelt, aber es hat zu gar nichts geführt, außer (und das ist sehr wichtig) zu der Erkenntnis, dass es verdeckt wuchernde Schleimpilze auch in der menschlichen Geschichte gibt und dass die Vorgeschichte des Faschismus (auch des deutschen, Stichwort "Sebottendorf") zu einem guten Teil im sterbenden Osmanischen Reich geschrieben wurde, mit der Tinte des "schwarzen italienische Adels". Ich traue auch der Theosophie nicht wirklich über den Weg. Ihre Nähe zu den alten Geheimdiensten ist zuuu offensichtlich. Der Autor der PJ hat sehr wahrscheinlich Einblick in all diese Kreise gehabt, aber er handelt meiner Auffassung nach nicht als deren Vertreter. Ihm geht es primär um eine reine (Katholische) Kirche, er ist zwar intellektuell aber mit übervollem Herzen marienfromm. Die Konzessionen, die er an die Reinkarnation, an Wissenschaft, an die Gnostik und an die UFOs macht, sind aus dieser engen katholischen Schießscharte mehr als kurios und eigentlich nicht verständlich, selbst wenn man die Theosophie als eine Einfärbungsschicht dazunimmt. Gibt es Theosophen, die mit UFOs rechnen? Und was, wenn diese scheinbaren Konzessionen einer Wahrheit entsprechen würden? ***)

ad (2)

Carpi mag ein Heuchler und Lügner gewesen sein, aber wie wollen wir ihm das in Bezug auf die PJ nachweisen? Wir haben ja nicht die angeblichen "Originale" und können daher auch nicht wissen, wie er sie (wenn auch nur durch seine Rahmenstory) verfälscht hat. Wenn ich Dich richtig verstehe, ist das auch Deine Schlußfolgerung, und ich hatte es in meinem letzten Beitrag schon ähnlich ausgedrückt. Mein "natürlich war Carpi in der P2" - bezieht sich auf die 74 Bücher, die Carpi veröffentlicht hat (er war offenbar ein Sehrvielschreiber), von denen ich einige angeblättert habe - und nach deren Lektüre ich wirklich kein Bedürfnis mehr hatte, über ihn im Internet weiteres zu recherchieren. Bei Dir hatte ich (stillschweigend) vorausgesetzt, dass Du in die italienischen Verbundkataloge reingeschaut hattest. Carpi war schon in den frühen 1970er offenbar der italienische "Fachmann" für geheime Wissen- und Gesellschaften. So schien es mir "natürlich", dass "man" ihn kontaktiert und eingeladen hat. Im übrigen hat er ja auch ein Buch über Gelli geschrieben ...

Könnten wir uns einigen, dass wir uns über Carpi und seine selbst zusammengesponnenen Geschichten nicht mehr unterhalten? Du ordnest Carpi der Tonne zu, ganz unten. Und ich selbst möchte mich einfach nicht mit seiner Person und seinem Leben beschäftigen. Das kommt wohl beide Male aufs gleiche raus.

ad (3)

Über das Verhältnis der Katholischen Kirche zur Freimaurerei und zur P2 (die eigentlich nicht zur klassischen Freimaurerei gehört, sondern nur deren Mäntelchen sich umhängen wollte), gibt es sooo viele Ansichten und Spekulationen, dass wir uns wahrscheinlich verheddern würden und den Rahmen des Forums verlassen, wollten wir das alles angemessen vertiefen. Was ganz zentral Deiner Vermutung widerspricht, hinter der Proph.John.XXIII stecke ein Interesse der P2 bzw. ihres Führers Gelli, ist die Tatsache, dass die Proph.John.XXIII ein vehementer Gegner von Verschwörungen ist. Sie kennt sehr genau die geheimen Machenschaften in den Hinterzimmern des 20. Jahrhunderts, ihr Autor sollte ein Verschwörungsfachwissenschaftler gewesen sein (von denen es in den 1970er Jahren noch gar nicht sooo viele gab) - aber er zeigt mit einem drohenden Finger auf diese dunkle Welt. Warum sollte Gelli beim Bemühen, den Roncalli-Papst aufzuwerten (so Deine Vermutung!), gleichzeitig solche Selbstkritik üben? Und warum etwa sollte Gelli den Nachfolger von Roncalli, praktisch seinen eigenen Zeitgenossen, Papst Paul VI., dann dermaßen hart angreifen (vgl. den Text zu Paul VI.)> Wie ich bereits in meinem letzten Beitrag sagte, verurteilt die PJ die Freimaurerei und (wie eben erwähnt) die Aktivitäten aller Arten von Geheimgesellschaften und von systematischer politischer Intrige. Ich vermute, dass mit dem "dritten Kopf des Bösen, der seit jeher am Busen der Mutter ruhte, aber ein Feind der Mutter und des Vaters ist" die Freimauererei gemeint ist - in sehr allgemeiner Weise, denn sie stammt mit einer ihrer Wurzeln ja von den mittelalterlichen Kirchen- und Klosterbaumeistern ab (Bauhütten), deren Entscheidungsträger allesamt selbst Priester waren - durch ihre weltliche Kenntnisse und Bauprojekte aber ständig in Versuchung standen (und zu oft ihr erlagen) vom Pfad der Tugend abzukommen ...

Ich darf, da ich nun zu Deinen drei PJ-Modellen Stellung genommen habe, des weiteren auf Deine Gedanken zu "den Schritten des ersten Menschen", zu den "Urnen" (was Du mit "Sakophag", zwei Male, meinst, verstehe ich nicht), zu den "70 Jahren" und zum "Fall der Mauer" eingehen.

Den Fall des Kommunismus empfindest Du mit Hinweis auf Nordkorea etc. nicht vollständig. Nun ist die Frage, ob das dort im Kern Kommunisten sind. Aber die PJ sagt ja überdeutlich, dass "das Buch" immer Anhänger haben wird, "bis ans Ende aller Tage". Soll auf Deutsch wohl heißen: solange es Menschen auf der Erde gibt, wird auch die Idee des Kommunismus nicht aussterben. Ist eine ziemlich gewagte Prophezeiung, deren Bewahrheitung wir wohl nicht mehr erleben werden.

Du versuchst, die bestätigten Voraussagen zu zerreden. Das darf man machen. Etwa indem, man sagt, 70 Jahre für den Kommunismus lagen aus diesem und jenem (traditionell zahlensymbolischen) Grund nahe - also wurde getippt. Und auf die "Schritte des ersten Menschen" kann man ebenfalls mal tippen. Ist also ungefähr wie beim Lotto. Leider waren die vier Beispiele aber Treffer. Wenigstens man kann sie so sehen. Und da sie auf ziemlich verschiedenen Lottoscheinen gemacht wurden, ist das durchaus auffällig.

Deine Einwände werfen eine zentrale Frage auf, die auf dem Forum möglicherweise noch gar nicht systematisch und gründlich diskutiert wurde: wann gilt eine Voraussage als bestätigt? Dafür sollten m.E. Kriterien aufgestellt werden. Wir wissen, dass es Voraussagen von der folgenden Form nicht gibt: am Morgen des 11.Sept.2001 werden Flugzeuge in die beiden WTC-Türme hineinfliegen und gegen Mittag wird man die beiden Türme und ein Nebengebäude sprengen. Stattdessen gibt es diffuse Träume, Ahnungen und Vision mit "Teilansichten" dieses Geschehens oder seiner Auswirkungen auf betroffene Personen. Ab wann gelten solche Voraussagen als bestätigt? Nach welchem Merkmalskatalog geht man da vor? Ich würde gern die Frage an Taurec richten, ob dazu schon einen Kriterienkatalog oder eine "Definition" hat. Für mich selbst suche ich deswegen primär nach Voraussagen, die extrem spezifische und präzise Merkmale tragen (wie etwa der Funkenregen). Denn was ein "Kältesommer" ist, darüber lässt sich möglicherweise endlos streiten.

Ich darf noch ein Beispiel aus der PJ geben, um dieses Problem, wann eine Voraussage als eingetroffen gilt, zu illustrieren. Zu den nach meiner Einschätzung klar bestätigten Voraussagen der PJ gehört die Charakterisierung des Pontifikats von Johannes Paul II. Ich habe dazu schon einiges zusammengestellt unter

https://schauungen.de/forum/index.php?id=6331

Du eröffnest mir nun die Gelegenheit, etwas nachzutragen. Bei der Charakterisierung von JP II findet sich ein wieder mal ein überaus marienfrommen Satz: Die Mutter der Kirche wird die Mutter der Welt.

Bekanntlich hat JP II die Führer und Vertreter der Weltreligionen zwei Male zum Gebet nach Assisi eingeladen. Die Treffen fanden und finden seither regelmäßig statt in der Kirche Santa Maria degli Angeli (Unsere Liebe Frau von den Engeln). Ich bringe nun, um nicht der Parteinahme für die Katholische Kirche bezichtigt zu werden, einen sehr kritischen Bericht über diese Treffen:

Einen Höhepunkt als Missionar für den Götzendienst erlebte der Papst beim Kongreß der Religionen in Assisi. Da forderte er für sich die Rolle eines religiösen Weltenführers. Wojtyla hatte alle Religionen zum gemeinsamen Gebet nach Assisi eingeladen. Und sie kamen alle: Krethi und Plethi, Mullas und Yogis, Hotten und Totten, Hindus und Moslems. Friede, Friede keine Gefahr. Mutter Teresa war auch da und Weltkirchenratschef Castro. Gleich neben dem Papst saß der Dalai Lama, göttliches Oberhaupt der Buddhisten. Fehlen durften natürlich auch nicht die beiden Präsidenten des Weltbaptistenbundes und des Methodistischen Weltbundes.

Man bedenke: die altchristlichen Märtyrer weigerten sich standhaft, den Göttern zu opfern und wurden deswegen gefoltert und zu Tode geschunden. Sie wußten, daß die Anerkennung fremder Religionen Abfall von Gott ist. Und nun kommt dieser Gnom aus Rom und lädt die Götterpriester, um deren Ablehnung willen die Märtyrer grausam sterben mußten, nach Assisi ein, wo sie ihren Götterdienst zelebrierten, in einer christlichen Kirche! Auf dem Altar dieser christlichen Kirche hatte man frivol eine Buddha Statue aufgestellt.

Es gibt so viele menschliche Blickweisen auf die Welt, wie es Menschen gibt. Jeder darf auch urteilen, und muss sich deshalb Beurteilungen auch gefallen lassen. Trotz der negativen Einfärbung in diesem Bericht ist aber für das Treffen in Assisi erkennbar (wenigstens für mich), dass Johannes Paul II. sich an die Spitze stellen wollte: die katholische Kirche als "Mutter der Welt". Vor knapp 1000 Jahren, ja vor 500 noch, hätte man die anderen Religionen lieber allesamt einen Kopf kürzer gemacht. Heute geht man "zärtlich" mit diesen Religionen um. Es liegt hier ein erkennbares, spezifisches Charakteristikum vor, das ich persönlich als bestätigte Voraussage werten möchte.

Die Proph.John.XXIII erhebt bereits in ihrem dümmlichen Titel (der wohl auch von Carpi stammt) den Anspruch, Voraussage zu sein. Sie tut es aber auch in den Texten selbst. Die Bestätigungen nach nach 1976 kann man zwar zerreden, aber auch anerkennen. Das bleibt jedem selbst überlassen. Wir befinden uns bei allen Materialien, die hier auf dem Forum behandelt werden, im Optionalen und im Potentialen. Es geht hier (das ist meine persönliche auffassung) nur darum, ob man totalen Schwach- oder Anderssinn von echten Möglichkeiten oder gar von Wahrscheinlichkeiten abtrennt. Die Texte der Proph.John.XXIII sind in meinen Augen wirklich nicht der totale Schwachsinn. Sie zeigen sehr solide Kenntnisse der Geschichte, sie haben Urteilsvermögen und sprachliche Kraft ****), und sie haben eben für die Zeit nach 1976 Aussagen gemacht, die man als "wahrgeworden" ansehen kann. Das alles ist für mich Anlass, sie ganz pragmatisch als Werkzeug zu gebrauchen, um mit ihrer Hilfe weitere anstehende geschichtliche Entwicklungen zu betrachten.
Sie macht beispielsweise Aussagen über die nächsten beiden Pontifikate, über einen afrikanisch-arabischen Führer, der (demnächst vielleicht?) in der Wüste verbluten wird, über wichtige Vorgänge in Russland etc. etc. etc. - sie redet von einer Weltenwende und spricht sogar diejenigen namentlich an, die nach der Wende die Welt regieren wollen. Leider redet sich auch von Blumen, die die Welt so dringend braucht. Ist es das, was dem Forum nicht gefällt? Gefallen hier mehr solche Sätze wie: "dann fliegt den Tschechen ihr ganzes Land um die Ohren!" - von einem extrem kompetenten Autor, der gleichzeitig bei anderen "Gewaltphantasien" kritisiert?

Du hast, lieber Ulrich, noch die Mariensäule in München erwähnt. Wieso sie 1917 geweiht worden sein soll, entzieht sich meiner Kenntnis, und ich kann es jetzt von hier aus nicht recherchieren. Ich dachte, sie stünde dort schon seit dem Dreissigjährigen Krieg. Bei dem Satz "In der Hälfte die Statue", zieht es mich selbst gedanklich ins ebenfalls marienfromme Polen, aber ich hatte noch keine Zeit, dieser Ahnung anhand von Fachliteratur nachzugehen. Es sollte sich um eine aktive Marienbotschaft oder -erscheinung oder um ein Marienwunder (an einer Statue?) handeln, wie Fatima im Westen und wie die "Offenbarungen" der Chlysten in Russland (die ich aber auch noch nicht präzise identifizieren konnte, weil mir die entsprechenden Sprachkenntnisse bzw. Kontakte fehlen).

Ich hoffe, damit angemessen auf Deine Einwürfe geantwortet zu haben und danke Dir für eben dieselben. Ich werde in einem parallelen Beitrag noch einen Vergleich von PJ mit dem Lindenlied versuchen und, da ich für heute über einen einigermaßen stabilen Internetzugang verfüge (wenn auch in einer Cypercafe-Schwitzkabine nahe 40 Grad), auch ein paar Kommentare zu paralleln Threads ins Forum stellen.

Beste Grüße, Gerhard


***) An dieser Stelle vielleicht ein Seitenblick auf das Dokument mit den "drei unsterblichen Meistern", obwohl das nicht zu den Texten der PJ gehört. Von Henoch und Elias abgesehen war der "erste unsterbliche Meister" in der jüdisch-christlichen Tradition ein Mann aus Galiläa. Und seither glaubten und glauben immer noch Millionen Menschen an diese "Unsterblichkeit". Aber auch andere Religionen kennen vergleichbare Traditionen und Hoffnungen.

****) ein sehr schönes Beispiel ist die Beschreibung des Verhältnisses von Hitler zu Mussolini "Bruder, Vater, Herr". Hier wird mit einfach verständlichen Worten und nicht mehr überbietbarer Kürze alles wesentliche zu den beiden ausgesagt. Anfangs war Hitler der Bruder und Kollege, man hat sich gegenseitig geholfen (es kamen bereits in den 20ern Gelder aus Italien über die Schweiz an die NSDAP), hat sich auch mißtraut (Mussolini war gegen den Anschluss Österreichs). Hernach hat Hitler dem Mussolini vielfach "väterlich" geholfen, etwa nach dessen mißglückten Feldzügen in Nordafrika und Griechenland oder bei seiner Befreiung aus der Gefangenschaft. Danach aber hatte Mussolini zu befolgen, was Hitler ihm vorgab. Diese Charakterisierung ist einfach treffend.


Gesamter Strang: