Proph.John.XXIII (Schauungen & Prophezeiungen)

Gerhard, Freitag, 22.04.2011, 09:34 vor 4757 Tagen (4009 Aufrufe)

Einen guten Morgen und schönen (Feier-) Tag!

Ich möchte mit den folgenden Zeilen Stellung zu einer Diskussion nehmen, die etwa drei Wochen Tage zurückliegt. Weil die Proph.John.XXIII insgesamt betreffend, mag meine Stellungnahme von allgemeinem Interesse sein und somit einen neuen Beitrag rechtfertigen. Es ging damals um die Person, vor allem die Glaubwürdigkeit von Pier Carpi als eventuellem Autor oder Herausgeber der "Prophezeiungen von Johannes XXIII".

Ich sage zunächst herzlichen Dank an Ulrich für seinen sachlichen und kompetenten Beitrag, den er in die Diskussion eingebracht hat. https://schauungen.de/forum/index.php?id=12090

In seiner Antwort ist nicht die geringste Spur von der Jahrmarkts- und Schießbudenatmosphäre, mit der in der damaligen Diskussion Carpi und die von ihm veröffentlichten Texte in die Forums-Tonne befördert werden sollten. Stattdessen bringt Ulrich interessante Argumente, die zum Nachdenken anregen. Ich möchte zwei davon aufgreifen.

Ulrich sieht einmal eine Verbindung der Texte zur Theosophie, insofern diese ja bekannt dafür ist, östliches und westliches Gedankengut aber auch die verschiedensten, früher unverbundenen Zweige unserer eigenen Kultur (etwa Religion und Wissenschaft) miteinander "esoterisch" zu verschmelzen. Gegen dieses Argument möchte ich vorbringen, dass ich (wie bereits geschrieben) bei der Proph.John.XXIII zwar einen Respekt vor anderen Kulturen sehe, etwa wenn China (=Land der blauen Erde) eine ganz wichtige Rolle bei der Weltenwende zugeschrieben oder auf Gandhi (=sanfte Stimme im Lande des Brahma) hingewiesen sowie an das orientalische Christentum erinnert wird. Diese Haltung verbleibt aber im Allgmeinen und geht keinesfalls in Richtung Synkretismus bzw. Verschmelzung. Sie entspricht eher einer großen Aufgeschlossenheit der Proph.John.XXIII gegenüber all jenen Völkern, die ehemals von Europa unterdrückt worden waren. Denn diesen Völkern werden, ganz im Gegensatz zu ihren früheren Zeiten, für die Weltenwende entscheidende geschichtliche Aufgaben vorausgesagt (so etwa Südamerika im US-Bürgerkrieg, China bei der Stabilisierung der Situation in Eurasien). Ich bitte das zu beachten, da hier auf dem Forum gelegentlich die Auffassung vertreten wird, das Heil der Menschheit würde nach der Weltenwende allein wieder aus (einem in die "alte Ehr' und Stärk'" wieder eingesetzten) Deutschland kommen. Hier spricht die Proph.John.XXIII ganz klar eine andere Sprache, und ich empfinde das als sehr wirklichkeitsnah. Ich habe bereits einmal gegenüber BB ausführlich erläutert, wie differenziert dies allerdings zu sehen ist - https://schauungen.de/forum/index.php?id=6362

Die Proph.John.XXIII trennt sich von der Theosophie auch ganz deutlich durch ihr überaus klares Bekenntnis zum katholisch-christlichen Glauben. Das brauche ich nicht im Einzelnen zu belegen, weil es ganz offensichtlich ist (vgl. etwa die hohe, fast jubelhafte Wertschätzung einzelner Päpste bei gleichzeitig sehr spezifischer Kritik an anderen Päpsten, was nur aus einer innerkatholischen Perspektive heraus wirklich verständlich ist).

Schließlich spricht gegen eine Herkunft aus der Theosophie, dass sich die Proph.John.XXIII in die Tradition der altgriechischen Rationalität/Philosophie stellt. Obwohl die Theosophie zugegeben sehr viele Gesichter hat, so fehlt ihr (nach meiner Einschätzung) doch gerade der Bezug zu dieser wichtigen antiken Wurzel der europäischen Kultur. Nach meinem Wissen hat sich etwa die Bewegung "Neue Akropolis" von der Theosophie deswegen abgetrennt, weil sie diesen gravierenden Mangel an "Philosophie" behoben wissen wollte.

Wenn nun auch die Proph.John.XXIII gewiss nicht theosophisch ist, so wird sie in verwandten Kreisen offenbar mit Interesse und wohlwollend aufgenommen, vielleicht sogar gepflegt. Und Ulrich hat insofern ein wirklich sehr feines Gespür bewiesen. Hierzu deshalb noch ein Beleg: der Herausgeber der deutschen Übersetzung, Pierre Diener, hat seinen Wohnsitz in Reinach, und nach dem kurzen Kontakt, den ich zu ihm hatte, muss ich annehmen, dass er mit der bekannten Unternehmung in den Nachbarorten Arlesheim und Dornach in Verbindung steht.

Ich möchte die Abgrenzung gegen die Theosophie zum Schluß nochmals mit einem Zitat unterstreichen, das ich schon öfters gebracht habe. Die Proph.John. betrachtet die beiden Weltmächte in Ost (=Moskau) und West (=London/Washington) als "babylonische Reiche". Dieser Ausdruck steht in der Tradition des biblisch-apokalyptischen "Babylon", nicht in der von Icke (obwohl es da zweifellos inhaltliche und realhistorische Überschneidungen gibt). "Babylon" ist Symbol für eine Art von (größenwahnsinniger) Macht, die den Menschen verachtet, ihn ausbeuten, unterdrücken und in jeder Hinsicht verderben will. Wenn nun die Proph.John.XXIII dazu aufruft, sich nicht in einen neuen Krieg zwischen derartigen Mächten hineinziehen zu lassen **), dann tut sie das nicht in direkter Weise, weder aufklärerisch noch etwa nach dem Motto: "Völker hört die Signale und steht auf gegen die Mächtigen der Welt!" Sie tut es auch nicht wie die üblichen christlichen Prophezeiungen: wenn ihr heute nicht lieb seid, wird Gott Euch morgen bestrafen.

Vielmehr ist der Aufruf der Proph.John.XXIII sehr indirekt: Heiligste Maria, Tochter und Mutter Gottes, Herrin der Zukunft, rufe deine Söhne vom Feld zusammen, damit sie die zwei babylonischen Reiche niederwerfen.

Zuerst ist hier zu sagen, dass es den Krieg (wenn die Proph.John.XXIII "wahr" "schauen" sollte ...) tatsächlich einmal geben wird. Die weltwendende Bewegung wird sich nach ihr schon vor dem Krieg anbahnen (nämlich durch die von mir in anderen Beiträgen bereits erwähnte Aufdeckung einer Verschwörung), sie wird aber den Krieg offensichtlich nicht mehr abwenden können. Der entscheidende Moment dürfte daher erst während des Krieges kommen, denn es heißt: "rufe Deine Söhne vom Feld zusammen", was letztlich bedeutet, dass Männer aktuell im Kampf stehen, ihn nun aber abbrechen, zumindest mit anderen Augen sehen sollen. Keine Rede hier im Übrigen von Impakt und Finsternis und Fluten. Es mag sie geben, in der Geschichte zählen aber nur Entscheidungen im Denken und in den Herzen der Menschen.

Interessant an diesem Marien-Zitat aus der Proph.John.XXIII ist nun aber vor allem die Sprechweise. Würde ein Theosoph zu solchen Worten greifen und nicht nur "Heilige Maria" sondern "Heiligste Maria" sagen? Außerdem ist die Anrufung um Beistand ein typisch christlicher Zug: der Mensch soll zwar an der Schöpfung mitwirken, ist jedoch nicht selbst Schöpfer der Welt und alleiniger Herr seiner Handlungen. Womöglich steckt in dieser eigenartigen Formulierung wiederum eine echte Voraussage. Ich persönlich nehme an, dass der (vermutlich übernächste) Papst, der unmittelbar vor Ausbruch des Krieges dem "Bruder aus dem Osten" entgegentreten wird (=dem Bruder mit dem umgekehrten Kreuz ohne Lilien), dies eventuell mit einem Rückgriff auf mariologische Themen tun wird, also vielleicht in Erinnerung an Garabandal oder Fatima oder an eine andere Marienerscheinung. Meine persönliche Spekulation: indem er dies tun wird, und indem es gegen "Moskau" gerichtet sein wird, wird man ihn als eine Art "Verräter" Italiens hinstellen, denn Italien wird gemäß der Proph.John.XXIII zu dieser Zeit wieder mit dem "Kommunismus" liebäugeln ("als letzte Rebellin Europas, von Severus an die roten Fahnen gebunden"). Im Rahmen der Aufstände, die man wegen diesem Aufruf des Papstes wohl auch gegen den Vatikan richten wird, muss der Papst dann vermutlich fliehen.

Maria wird in diesem Zitat überdies "Herrin der Zukunft" genannt. Was Spengler nicht deutlich genug in seinem Modell herausarbeitet, was aber ein wichtiges Merkmal der letzten Epoche einer Kultur ist: in der Zivilisationsphase kehrt sie zu matriarchalischen und femininen Strukturen zurück, ganz besonders natürlich im Bereich der "Religion", welche ebenfalls in der letzten Kulturphase neu aufleben wird. Mit viel Phantasie könnte man in dieses Zitat auch hineinspekulieren, dass die Katholische Kirche nach der Weltenwende Frauen zum Priesteramt zulassen wird.

Auch Ulrich ist der Meinung - und damit komme ich zum zweiten Argument seines Beitrages -, dass der Autor Carpi überprüft werden sollte, etwa auf seine Aufrichtigkeit im Umgang mit (ihm eventuell übergebenen) Texten. Ich bleibe hier aber sehr fest bei meinem Standpunkt, dass ein "Wissen" über den Autor/Herausgeber der Texte nichts zum Verständnis der Texte selbst beiträgt. Kennen wir den Autor der Odyssee oder der Ilias, kennen wir die Verfasser der Heiligen Schriften der Menschheit, was weiß man vom Dichter der Shakespearschen Dramen? Was weiß der Leser einer Zeitung von all den Autoren der vielen Artikel, die er täglich liest? Helfen uns Kenntnisse über die Person Irlmaiers bei der Entscheidung, ob wir seinen Vorhersagen über die Weltwende Glauben schenken sollen? Kennen wir den wahren Erzähler, der hinter den Feldpostbriefen steht? Würde es uns etwas bringen, wenn wir den Dichter des Lindenliedes kennen würden? Bei der Masse der Prophezeiungen, die hier diskutiert werden, steht die Biographie des Autors selten zur Diskussion. Bei Carpi entscheidet sie nun plötzlich alles und wird zum Urteilsspruch.

Natürlich war Carpi in der italienischen Freimaurer-Szene aktiv. Aber weil dies nun eine ganz und gar eklige Welt ist, beschränkt sich meine Beschäftigung mit ihr auf das Allernötigste. Da Ulrich die Loge P2 erwähnt, darf ich vielleicht noch anfügen, dass in ihr Personen mitgearbeitet haben (und noch mitarbeiten, auch wenn sie scheinbar nicht mehr existiert ...), die mehr poetisches und schriftstellerisches Talent besitzen als Carpi und deswegen viel eher als Verfasser solcher Texte in Frage kommen würden: sogar Licio Gelli selbst dichtet(e) Verse. Wenn man die Vermutung hat, dass Carpi an den Texten etwas verfälscht hat, dann muss man das entweder am Text selbst nachweisen ***) (wofür die literarische Textkritik in den letzten 150 Jahren ein hervorragendes Instrumentarium entwickelt hat, das im übrigen hier auf dem Forum, mit wenigen Ausnahmen von Taurec und bei Nostradamus-Diskussionen, nicht verwendet wird). Oder man muss Carpi für andere Bereiche seiner Arbeit belegen, dass er ein notorischer Fälscher ist. Als "Fabrikateur" kommt er für mich nicht in Frage, weil nach Ausweis seiner übrigen Bücher diese Texte eine völlig andere Sprache sprechen. Ihn als Fälscher aufzudecken, dürfte schwer fallen und lohnte m.E. den Aufwand nicht. Carpi ist in Bezug auf den Gehalt der Proph.John.XXIII in meinen Augen ohne Bedeutung, für die Herausgabe hat er dankenswerterweise seine Pflicht getan und manche seiner Kommentare sind hilfreich. Es sind einige Übersetzungsfehler bzw. holprige Stellen sichtbar (vermutlich Abschreib- und Verstehensfehler), die dem Text insgesamt aber nicht schaden.

Wenn ich positiv zusammenfassen soll, was ich über die Herkunft der Texte vermute, so steht für mich als Erstes fest, dass sie aus Italien bzw. von einer dort aufgewachsenen Person stammen. Wenn sie auf eine Reihe von "Schauungen" zurückgehen sollten, was ich persönlich glaube, würde diese italienische Herkunft im Rahmen der "geistigen Resonanz" (zwischen dem "Schauenden" und dem "Geschauten") eine Rolle spielen - und das wird dann ja auch bei der Themenwahl in den Texten in gewissem Umfang sichtbar. Zweitens kommen die Texte ganz eindeutig aus einem katholischen Milieu. Außer Frage steht auch, dass die betreffende Person sehr gebildet gewesen sein und eine hohe Stellung in der Gesellschaft gehabt haben muß. Sie hat außerdem Einblick in sensible und nicht öffentliche politische Bereiche gehabt. Für eine Herkunft aus Kreisen, die sich der freimaurerischen Terminologie bedienen (ich sage nicht: es seien Freimaurer!), eventuell um auf das Freimaurertum Einfluss zu nehmen, gibt es nur sehr wenige Hinweise, aber sie sind durchaus vorhanden, etwa in der folgenden Formulierung, gleich nach dem oben erwähnten Zitat zu "Maria": Die Erde wird den Mörtel zerstören und deine neue Kirche, Königin, wird irden sein. Und auf der Erde blühe auf ihrem neuen Altar das Korn für den Hunger deiner Völker.

Hier könnte man neben der vorausgesagten fundamentalen geschichtlichen Wende in der katholischen Kirche auch an reale Erdbeben denken, die (Kirchen-) Gebäude zerstören (da an anderen Stellen der Prophezeiung z.B. von Ruinen in Rom die Rede ist, was aber auch Bürgerkriegsfolgen sein könnten). Gleichermassen wäre dann auch der Hunger einerseits real zu verstehen (also Hungersnöte weltweit nach der "Katastrophe"), daneben aber auch in übertragenem Sinn als das oben erwähnte neue Bedürfnis nach Religion, nach neuen Altären. Die Begriffe "Mörtel", "Altar" und "irden" (= erdig, tonig, also nicht "Stein") werden nun darüber hinaus natürlich auch in der Freimauererei verwendet. Wir hätten dann allein drei Bedeutungsschichten in diesem kurzen Satz, und das ist wieder einmal ein Beispiel für eine Formulierungskunst, die ganz gewiss nicht auf Carpi zurückgeht. Wenn man den Text sehr genau besieht und bedenkt, dann wird hier, obwohl freimaurerische Terminologie verwendet wird, ein Ende der freien "Maurerei", zumindest ihres Einflusses auf die Kirche vorausgesagt: die neue Kirche wird "irden" sein, also von der Erde genommen (= Lehm und Ton), und nicht mehr aus "Steinen", "Mörtel" und "Mauern". Es kommt hier im übrigen eine ganz andere Auffassung von der Zukunft der (katholischen) Kirche zum Vorschein. Keine Spur von neuer Macht und Herrlichkeit (wie in den bekannten, stereotypen Prophezeiungen), sondern es ist von einer Schlichtheit die Rede. Das passt zu der sonstigen Erwähnung von bescheiden lebenden "Heiligen" in der Proph.John.XXIII wie auch zu ihrem Hinweis auf einen "heiligen Barfüßer", der dem Völkerapostel des Lindenliedes entsprechen dürfte.

Wenn man die Texte insgesamt betrachtet, so kommt man zu dem Schluß, dass sie sich an Personen richten, die wir als Verantwortungs- und Entscheidungsträger charakterisieren müßten. Dazu noch ein weiterer Beleg: im Haupttext selbst wird ein Kaiser erwähnt, der verhungern wird, "eingeschlossen in den Turm seines Traumes". Ja, es wird diesem Kaiser, fast wie den Königen im Alten Testament, der Untergang vorausgesagt. Und in der angehängten Liste der "Namen" findet sich folgender Ruf: ÄNEAS - Dein Turm ist einsam, umschließt nur einen Traum. Du selbst bist ein Traum.

Was soll nun das? Ganz offensichtlich handelt es sich bei ÄNEAS um eine wichtige Gestalt der europäischen Zukunft, und zwar nach der Wiedereinführung der "Monarchie". Diese Gestalt wird auf eine sehr persönliche Weise angesprochen. Fast hat man den Eindruck, die betreffende Person soll mitten in ihr Herz getroffen werden, denn die Sprechweise ist verletzend und entblößend. Man überlege nun bitte: es wird in den 1970er Jahren, als die APO-Studenten auf den Straßen unterwegs sind, ein Kaiser der Zukunft direkt adressiert! Hat jemand im Italien der 70er Jahre über die Wiedereinführung der Monarchie spekuliert? Und das sogar für die europäische Ebene? Mit so präzisen Vorstellungen, dass Namen und seelische Dispositionen der betreffenden Person realisiert werden? Richtig besehen erwarten die Texte sogar, dass dieser Kaiser die Texte einmal selbst lesen wird. Im Übrigen wird in gleicher Weise und auch gleichermaßen "verletzend" an anderen Stellen der Proph.John.XXIII der erste "neue Cäsar" nach der Weltenwende angeredet, der den Namen ALBERT haben wird.

Taurec hat in der Diskussion vor drei Wochen nach der politischen Intention der Proph.John.XXII gefragt. An solchen Stellen wird nun ersichtlich, dass diese Intention sehr komplex und nicht leicht einzuordnen ist. Denn obwohl die Proph.John.XXIII dem Republikanismus und der Demokratie eine klare Absage erteilt, geht sie davon aus, dass sich in der Zukunft (von 1976 aus gesehen!!) die Tendenz zur Monarchie verstärken wird - aber es wird die monarchische Idee zugleich heftig kritisiert, so heftig sogar, dass ausgewählte Monarchen der Zukunft persönlich angeredet und angegriffen werden. Hier haben wir also nicht Lobhudelei und Schleimerei wie Nostradamus in seinem Brief an "den König Heinrich". Vielmehr wird hier etwas heftig bekämpft, das sich erst in Zukunft ereignen wird. Und solche Gedanken soll sich Carpi vor vierzig Jahren aus dem Hirn gezogen haben? Oder in "obskuren Clubs abgestaubt" (Zitat WG)> Ganz sicher waren Carpi oder der betreffende Club dann, wie viele Italiener, "antihabsburgisch". Denn unter den europäischen Adelsgeschlechtern, die für eine Rückkehr an die Macht sich seit einiger Zeit schon vorbereiten (Guttenberg war da nur ein kleines Schräubchen, das zu Boden fiel ...), sind es vor allem (aber nicht nur) die Habsburger, die sich aus dem "Sanguine Trojano" gebürtig fühlen - was aber wahrhaft nur ein Traum, eine Vorstellung ist ...

Das Beispiel mit ÄNEAS sollte nur noch einmal verdeutlichen, dass die Adressaten der Proph.John.XXIII vermutlich "hochgestellte" Persönlichkeiten sind. Sie werden im Einzelfall sogar direkt angesprochen, jedenfalls aber sind die Prophezeiungen an einen Personenkreis adressiert, der sich als Elite empfindet. Es ist weiter deutlich, dass diese Elite sich nach einem - wie immer gearteten - Positivum ausrichten möchte, andernfalls wäre die (Voraus-!) Kritik an der kommenden Monarchie nicht wirklich verständlich.

Ein Zeichen ihrer "Exklusivität" mag auch die verhüllende Sprache sein, zu der die Proph.John.XXIII greift, und die stellenweise an Nostradamus erinnert. Es ist die Rede vom "Lande des Brahma" anstelle von Indien, oder von den "Söhnen des Himmels" anstelle von Chinesen, es wird nicht Chile genannt, sondern eine "Kolonie des Kupfers und des Salzes". Andererseits gesehen ist diese Sprechweise auch wieder "enthüllend", insofern die chinesischen Kaiser sich tatsächlich Söhne des Himmels" nannten, und in Chile halt Salpeter und Kupfer abgebaut wurde. Und wenn etwa ein Hitler als "Sohn der Bestie" bezeichnet wird, dann hat entweder der "Fabrikateur" der Proph.John.XXIII gründlich gelesen und übernommen, was Eckart, Rauschning und andere über Hitler verbreitet haben - oder aber es steckt eine gewisse Wahrheit in dieser Aussage.

All jene, die die Proph.John.XXIII in die Tonne geschossen haben, darf ich auch darauf aufmerksam machen, dass hier auf dem Forum es gelegentlich als Kriterium von Validität gesehen wird, wenn ein Text Elemente und Motive besitzt, die auch in anderen Voraussagen und Schauungen vorkommen, dabei aber seinem Kontext nach eigenständig bleibt. Wenn es nicht nun plötzlich nicht mehr zählen soll, dass die Proph.John.XXIII sehr wohl für die Zeit nach 1976 öffentlich (nicht nur privat!) bestätigte Voraussagen hat ****) - und welche anderen "Schauungen" leisten das in gleichem Umfang bitte? -, so ist doch wenigstens bemerkenswert, dass der Motivbestand der Proph.John.XXIII sich in den Kernelementen mit dem allgemein bekannten Szenario deckt (Flucht des Papstes, neuer Ost-West-Krieg, Monarchie etc.). Was die Proph.John.XXIII dabei auszeichnet ist ihr Detailreichtum, den ich persönlich als Zeichen von Authentizität ansehe. Der Funkenregen des Waldviertlers oder die Irlmaierschen Tauben aus dem Sand haben beispielsweise einen solchen Detailreichtum und eine solche Plastizität, die mich aufmerksam werden lassen. Und gleichermaßen kennt, um ein ganz unverfängliches Beispiel zu zitieren, die Proph.John.XXIII genau wie das Lindenlied ein neues Konzil, das nach der Weltenwende stattfinden wird. In der Proph.John.XXIII werden aber eine Menge weiterer Details zu diesem Konzil nachgereicht, etwa dass es in Alexandria
stattfindet und eine weltweite "Friedensbewegung" manifestieren wird. In der textkritischen Schule (der vergleichenden Literaturwissenschaft) gilt immer der Text als der originäre, der die meisten Details besitzt - es sei denn, der Untersucher kann nachweisen, dass die zusätzlichen Elemente aus einseh- bzw. belegbaren Gründen hinzugefügt worden wären. Deshalb betrachte ich es als die Bringschuld jener, die den Text wirklich kritisieren wollen, nun auch nachzuweisen (etwa durch Beiziehung von Parallelen in anderer Literatur), dass die Details zum Konzil von Alexandria, oder zum kommenden US-Bürgerkrieg oder zu den nächsten beiden Päpsten etc. etc. etc. eine Fälschung oder eine "Fabrikation" sind. Bis entweder das geleistet ist oder bis die Geschichte die Texte bewahrheitet haben wird, sind die Texte ganz schlicht und einfach reine "Fiktion". Aber auch Fiktionen können manchmal sehr nützlich sein.

Manche Dinge kann auch ich (im Augenblick) in Bezug auf die Texte nicht beantworten. Und manche Dinge, obwohl ich sie verstehe, fallen mir immer noch schwer (etwa die positive Einstellung gegenüber Mao Tse Tung, der doch einer der größten Schlächter in der Menschheitsgeschichte war). Auch bedauere ich es immer noch, dass ich nichts zu der Frage von Johannes hier auf dem Forum sagen kann (wer mit Michael und dem wiederkehrenden Johannes gemeint sein könnten). Manche Teile der Texte erschließen sich erst im Lauf der Jahre. Im Falle der Proph.John.XXIII empfand ich das, bis jetzt wenigstens, als ein Zeichen von Qualität.


Ich werde vermutlich nicht direkt bzw. nur mit zeitlicher Verzögerung auf Antworten zu diesem Beitrag reagieren können, da ich noch unterwegs bin und nur punktuellen Internetzugang habe. Ich darf reisenotizmäßig vielleicht noch anfügen, dass ich zwar regelmäßig und seit vielen Jahren hierher (nach Indien) komme, aber erst in diesem Jahr das Land mit dem "Weltenwendeblick" betrachte. Dabei fällt mir auf, dass Indien gut gerüstet ist, um all jene Katastrophen zu überleben, die auf dem Forum hier diskutiert werden. Natürlich wird mir jetzt jemand sofort sagen, dass auf "godlikeproductions" oder wo immer ein Untertauchen des indischen Subkontinentes unter den Meeresboden vorausgesagt wird. Aber von diesem sehr unwahrscheinlichen Fall abgesehen sind die gesamten Verhältnisse hier geradezu prädestiniert, um unter extremen Zuständen (Impakte, Kriege, Zusammenbruch der zivilen Ordnung) "davonzukommen". Was hier an täglichem Überlebenskampf geleistet wird, ist wirklich beachtlich. Außerdem ist die Dekkanplatte geologisch recht fest (Vulkanischen Ursprungs - kein so Schichtenschotterwerk wie die Alpen), sie liegt über 500 Meter NN und ist im Westen durch die Ghats und Nilgris sogar gegen 1500 Meter hohe Tsunamis geschützt. Und wenn in den europäischen Prophezeiungen sowie gelegentlich hier auf dem Forum in fieser Verachtung der augenblicklichen technischen Errungenschaften gedroht wird, wir würden in der Weltenwende 200 Jahre "zurückgeworfen", so leben in Indien zig Millionen Menschen ausschließlich und auf eben diesen "rückständigen" Niveau - und dies offenbar ganz gut, denn sie haben trotz (oder wegen?) dieses vermeintlichen Rückstandes immer ein freundliches Lächeln und strahlendes Gesicht. Wer also noch ein sicheres und gesundes Örtchen für die Weltenwende sucht, mag gerne einen nachdenklichen Blick auch auf Indien werfen.

Aus der Ferne frohe Ostertage wünschend,
grüßt Gerhard


PS: ein weiterer Beitrag zur Proph.John.XXIII (Kommentar heute zu einem ebenfalls älteren Beitrag von Taurec) findet sich unter https://schauungen.de/forum/index.php?id=12309

**) wie leicht das geht, hat aktuell wieder der Fall "Lybien" gezeigt ...

***) es genügt da nicht, wie WG in einem parallelen Beitrag, nur so zu sagen, er "habe auch den Eindruck" (Markierung von mir), dass Carpi nicht der eigentliche Autor der Texte sei, sondern diese im Rahmen seiner Mitgliedschaft in "obskuren Clubs" irgendwo "aufgegabelt" habe. Im Übrigen bestätigt WG hier sogar indirekt die Rahmengeschichte, die Carpi seinen Lesern weismachen will, denn unter "Aufgabeln" kann man auch verstehen, dass Carpi sich in/vor diesen "Clubs" so dargestellt und produziert habe, dass diese ihm gern eines Abends einen Vertreter mit Texten schickten ...

****) ich betrachte es als ziemlich kleinlich, auch fast als Täuschung der Mitleser hier auf dem Forum, wenn der Fall der Berliner Mauer, vorausgesagt im Jahre 1976 (damals Sowjetimperium auf seinem Höhepunkt!), als Spekulation bezeichnet oder mit anderen Argumenten klein geredet wird - und wenn dabei unterschlagen wird, dass an anderen, ganz offensichtlich korrelierten Stellen der Proph.John.XXIII sehr präzise "Siebzig Jahre" für die Dauer der Herrschaft des Kommunismus ("hier ist das verfluchte Buch") angegeben werden.

Carpi 'rein in die Tonne - Texte 'raus aus der Tonne

Ulrich ⌂, München-Pasing, Samstag, 23.04.2011, 04:16 vor 4756 Tagen @ Gerhard (2957 Aufrufe)

Hallo Gerhard,

In seiner Antwort ist nicht die geringste Spur von der Jahrmarkts- und
Schießbudenatmosphäre, mit der in der damaligen Diskussion Carpi und die
von ihm veröffentlichten Texte in die Forums-Tonne befördert werden
sollten.

auch nach wiederholtem Lesen der Beiträge derer, die sich vor einigen Wochen kritisch über Carpi äußerten, finde ich keine Anhaltspunkte für eine Jahrmarkts- und Schießbudenatmosphäre, was die Argumentation betrifft. Vielmehr rückte trace's Beitrag über Carpi's Biographie diesen selbst in ein solches Umfeld.

Ich konnte mir damals weder eine Meinung über den Text noch über Carpi erlauben, weil die Lektüre des Buches zu lange zurücklag. Inzwischen habe ich mir wieder ein - übelriechendes - Exemplar beschafft und nochmals gelesen.

Soweit ich mich damals auf Deine Charakterisierung bezog, erscheint mir meine Vermutung einer Quelle aus dem französischen Zweig der Theosophie trotz Deiner Gegenargumente immer noch schlüssig:

Die Proph.John.XXIII trennt sich von der Theosophie auch ganz deutlich
durch ihr überaus klares Bekenntnis zum katholisch-christlichen Glauben.

Im Gegensatz zu Blavatsky stand bei der Theosophin Maria de Mariategui der Katholizismus im Vordergrund, den sie um die Theosophie 'bereichern' wollte, ihr Titel 'Herzogin von Pomar' wurde ihr von Papst Leo XIII (der die Freimaurerei eine "Satans-Religion" nannte) verliehen.

Schließlich spricht gegen eine Herkunft aus der Theosophie, dass sich die
Proph.John.XXIII in die Tradition der altgriechischen
Rationalität/Philosophie stellt. Obwohl die Theosophie zugegeben sehr viele
Gesichter hat, so fehlt ihr (nach meiner Einschätzung) doch gerade der
Bezug zu dieser wichtigen antiken Wurzel der europäischen Kultur.

In einem ihrer bekanntesten Bücher, "The Mystery of the Ages Contained in the Secret Doctrine of All Religions", sucht sie sehr ausführlich nach Belegen für theosphisches Gedankengut in der antiken griechischen Geistesgeschichte, nach einer Brücke zur theosophischen Weltanschauung.

Interessant an diesem Marien-Zitat aus der Proph.John.XXIII ist nun aber
vor allem die Sprechweise. Würde ein Theosoph zu solchen Worten greifen und
nicht nur "Heilige Maria" sondern "Heiligste Maria" sagen?

Ein 'Blavtsky-Theosoph" wohl kaum, M.d.M. dagegen schrieb in dem oben genannten Buch: "It was generally considered, at the turn of the next century, that the next Divine incarnation was about to come to earth and would be female, the advent of Divine Wisdom, or Theo-Sophia, and that the present age would be the age of making known all that which has been kept secret from the beginning." Die französische Theosophie pflegte eine Art feministische Theologie, könnte man sagen, wäre der Begriff nicht so abgedroschen.

Die Verwendung des Superlativ "Heiligste Maria" wäre, abgesehen vom miesen Sprachstil (soll man sich dabei andere - weniger heilige - Marias dazudenken?), nur dann ein Argument gegen einen theosophischen Quell-Text, wenn dieser unverändert und ohne Ergänzungen belassen wäre.

Auf eine - für mich - plausiblere Erklärung für die Verwendung dieser eigenwilligen Formulierung, über die ich auch gestolpert bin, werde ich gleich zurückkommen.

Ich
bleibe hier aber sehr fest bei meinem Standpunkt, dass ein "Wissen" über
den Autor/Herausgeber der Texte nichts zum Verständnis der Texte selbst
beiträgt. Kennen wir den Autor der Odyssee oder der Ilias, kennen wir die
Verfasser der Heiligen Schriften der Menschheit, was weiß man vom Dichter
der Shakespearschen Dramen? Was weiß der Leser einer Zeitung von all den
Autoren der vielen Artikel, die er täglich liest? Helfen uns Kenntnisse
über die Person Irlmaiers bei der Entscheidung, ob wir seinen Vorhersagen
über die Weltwende Glauben schenken sollen? Kennen wir den wahren Erzähler,
der hinter den Feldpostbriefen steht? Würde es uns etwas bringen, wenn wir
den Dichter des Lindenliedes kennen würden? Bei der Masse der
Prophezeiungen, die hier diskutiert werden, steht die Biographie des Autors
selten zur Diskussion. Bei Carpi entscheidet sie nun plötzlich alles und
wird zum Urteilsspruch.

Bei jedem Gang zum Kiosk kannst Du Dich davon überzeugen, daß Du wohl kaum jemanden antreffen wirst, der sich 'irgendeine' Tageszeitung holt, obwohl ihm deren jeweilige Autoren gleichermaßen unbekannt sind, sondern 'seine' Zeitung. Negativ formuliert, weil er durch diese in seinen vorgefassten Meinungen nicht verunsichert sondern bestätigt zu werden hofft, positiv formuliert, weil er annimmt, daß nicht jede Redaktion in gleichem Maße 'neutral' und der Wahrheit verpflichtet informiert und er auf diese Unterscheidung Wert legt.

Es mag zwar kein Gewinn für den Erbauungs-Wert schöngeistiger Literatur, ob nun Odyssee, Ilias oder ein Werk von Shakespeare sein, wenn ich die Schuhgröße des Autors kenne oder weiss, ob er Kaffee oder Tee bevorzugte, aber ob die Feldpostbriefe sich einer aus den Fingern gesogen hat, ob sie vom Übermittler möglichst unverfälscht weitergegeben wurden oder nicht, das interessiert mich sehr wohl. Daß das je nach Quelle nicht immer möglich ist und im Falle der Feldpostbriefe meines Wissens auch Hans Bender nicht zufriedenstellend gelang, sollte nicht dazu verführen, und es ist auch kein Argument im Sinne einer "gleichberechtigten Behandlung der Quellen", dort vorsätzlich darauf zu verzichten, wo es möglich ist, weil die Quelle 'greifbarer' ist, und das gilt meiner Meinung für Alle, aber auch für Carpi.


Und damit komme ich zu meiner Kritik:

Du schreibst

Natürlich war Carpi in der italienischen Freimaurer-Szene aktiv.

Mein Sohn würde jetzt sagen: "Das giltet nicht!!!"

Du 'übergehst' mit einem Wort ("natürlich") einen Sachverhalt, der über Carpi als Person und auch über seine Absichten meines Erachtens Entscheidendes aussagt.

Jemand, der sich auf der ersten Seite seines Vorwortes mit den Worten vorstellt "Wer mich kennt, weiß, wie mißtrauisch und sogar streitsüchtig ich stets den Erforschern okkulter Dinge oder von Geheimwissenschaften gegenübergestanden habe. Wie ich jeden entlarvt, der versuchte, in die bereits verworrene Welt der sogenannten geheimnisvollen Ereignisse noch mehr Verwirrung hineinzutragen.", der entpuppt sich als Mitglied der - soweit bekannt - korruptesten und intrigantesten Freimaurer-Loge des 20. Jahrhunderts.

Wie passt denn Carpi's Selbst-Darstellung mit seiner Mitgliedschaft bei P2 für Dich unter einen Hut, um dies mit einem beiläufigen "natürlich" abzutun?

Für mich ist es ein klarer Beleg, daß Carpi heuchelte und log. Wieviele Filme zweifelhafter Qualität, wieviele Comic-Sprechblasen er mit Texten gefüllt hat, sind Informationen anderer Wertigkeit über ihn (Tee oder Kaffee), die mich nicht so sehr interessieren, aber ob er heuchelte und log, ist mir wichtig zu wissen.

Ich weiss ja nicht, ob ich mich damit jetzt als un-esoterischen Materialisten oute, aber die Annahme der physischen Unsterblichkeit sowohl von de Saint-Martin, de Saint Germain, Cagliostro oder sonst einem menschlichen Wesen halte ich für ausgemachten Schwachsinn.

So oft, wie Carpi in seinem Vorwort und seiner Einführung erwähnte, da er ja leider nicht alles offenbaren könne, was ihm der geheimnisvolle Fremde mitteilte, sollte es ihm auch nicht schwergefallen sein, auf die Abschrift dieses blödsinnigen Dokumentes als Beleg für die 'Autorität' seiner Quelle zu verzichten, und ein weiteres mal auf seine Verpflichtung zur Verschwiegenheit zu verweisen. Daß er es nicht tat, macht ihn in meinen Augen äußerst unglaubwürdig.

Die Vermutung, daß er beim Filme-Schneiden zu viel Klebstoff schnüffelte, wäre eine Erklärung dafür, daß er dieses Dokument - so ihm ein solches überhaupt vorlag - für authentisch hielt.

Auf mich wirkt Carpi's Abschrift des "Dokumentes" und seine Beteuerung bezüglich seiner Aufrichtigkeit in dieser Sache wie ein MPU-Test für seine Leser: Entweder man entsorgt das Buch, nachdem man bis zu dieser Stelle gelesen hat oder man erklärt sich durch weiterlesen stillschweigend bereit, daß er nun jeden Blödsinn erzählen darf, weil man das Absurdeste ja schon geschluckt hat.


Ich habe folgende Vermutung, was Carpi's Absicht für die Publikation betrifft:

Roger Peyrefitte veröffentlichte bereits 1961 einen Freimaurer-Skandal-Roman mit dem Titel "Les Fils de la Lumière" (Die Söhne des Lichts), der aber, wie die meisten seiner Romane, auf peinlich genau und gründlich recherchierten Tatsachen beruhte und dessen Ähnlichkeit mit lebenden Personen ganz und gar nicht zufällig waren.

Peyrefitte berief sich auf das Zeugnis des Freimaurers Barons Marsaudon, daß Roncalli der Freimaurerei sehr nahe stand und sogar seine Namenswahl als Papst auf die langen Gespräche über die Symbolik des Johannes-Evangeliums, die dieser mit Roncalli führte, zurückging.

Mitte der '70er Jahre - mehr als ein Jahrzehnt nach seinem Tod - wurde die Nähe Roncalli's zur Freimaurerei erneut aktuell und publik, es wurde sogar eine Logen-Mitgliedschaft Roncalli's behauptet und man machte ihn in konservativen katholischen Kreisen verantwortlich, daß die Freimaurerei im Vatikan Einzug gehalten habe.

Er wurde zu dem "von der Freimaurerei erträumten Papst" erklärt und man unterstellte ihm mit Behauptungen wie
„Der Kontakt zu den Modernisten und ihrem Bestreben, eine neue Art von Kirche zu schaffen, war von Jugend an Bestandteil seines Lebens".
daß er die Voraussetzungen für die "Unterminierung der Katholischen Kirche" geschaffen habe.


Eine schlechte Presse für die Freimaurerei zu einem Zeitpunkt, als Licio Gelli bereits zahlreiche Kleriker für seine Loge P2 angeworben hatte:
Franco Biffi, Rektor der päpstlichen Lateranuniversität
Alberto Bovone, Sekretär der Glaubenskongregation
Giovanni Caprile (SJ) langjähriger Direktor der offiziellen
vatikanischen Jesuitenzeitung „Civilta Catholica"
Agostino Casaroli, langjähriger vatikanischer Außenminister
und Kardinalstaatssekretär
Allessandro Gottardi, Erzbischof von Trient
Virgilio Levi, langjähriger Vize-Direktor der offiziellen
vatikanischen Tageszeitung „L Osservatore Romano"
Pasqual Macchi, Sekretär Pauls VI.
Paolo Marcinkus, Präsident der Vatikanbank
Virgillio Noe, päpstlicher Zeremonienmeister und
Leiter der Gottesdienstkongregation
Ugo Poletti, Kardinal und Generalvikar der Diözese Rom
Roberto Ducci, langjähriger Generaldirektor von Radio Vatikan
Kardinal Jena Willst, Vorgänger Casarolis im Staatssekretariat
usw.


Meine These:

Licio Gelli mag sich gedacht haben, der Versuch kann nicht schaden, einen Freimaurer-Sympathisanten-Papst, der in der öffentlichen Meinung in Ungnade gefallen ist, posthum zum edlen prophetischen "Rosenkreuzer" umzustricken. Dem gemeinen Mann auf der Straße sind die Unterschiede vermutlich sowieso nicht ganz klar, die "Rosenkreuzer" sind zwar auch 'geheim', aber 'sauberer' als die Freimaurer, weil 'irgendwie' in der christlichen Tradition stehend.

Und was braucht man, um sich beim konservativen Flügel des Katholizismus anzubiedern? Eine Portion Apokalyptik, prophetische Texte und natürlich das notwendige Maß Marienverehrung, und wenn man dabei über das Ziel hinausschiesst, wird aus der "Heiligen Maria" dann die "Heiligste Maria".

Daß der Sinn der prophetischen Texte manchmal auf der Strecke bleibt, wenn man die Absicht nicht kennt, weil der Kontext fehlt, führt auch bei Carpi zu ratlosem Grübeln, so auf Seite 72:

"...Armselig wird die Jungfrau Maria den Einfältigen erscheinen und sie werden ihr nicht glauben. Anstelle der Tempel werden dann Gräber sein. Das Licht der Newa aus dem Osten, aber das Licht kommt immer aus Westen. In der Hälfte die Statue."

und Carpi kommt zum Schluß: "Die Prophezeiung ist fast völlig unverständlich. ..."

Entweder gibt er sich naiver als er ist oder er spielt den Ahnungslosen, um die Intention seiner Publikation nicht allzu offensichtlich durchblicken zu lassen, aber dem umworbenen Leser aus dem konservativen katholischen Lager werden diese Zeilen ein "ah" und "oh" entlocken, weil er unschwer den fehlenden Kontext zur Deutung aus den in seinen Kreisen kursierenden Texten ergänzen kann:

Im Westen, in Fatima, hielt Maria ihre wenn-nicht-dann-nicht-Rede bzgl. Russlands, aber man glaubte ihr nicht.
In der Revolutionszeitschrift "Iskra" schrieb Lenin 1917 in Petersburg:
"An der Mariensäule von München werden sich die Schicksale Europas entscheiden."
Am gleichen Tag, als er in Sankt Petersburg den Zarenpalast stürmte, wurde in München die Mariensäule geweiht.
Und die steht (etwas südlich versetzt) etwa in der Mitte der Luftlinie Fatima - Moskau.

Oh, ah, sagt sich der konservative Katholik, prophetische Texte, dann war unser Hannes ja doch kein pöhser Freimaurer wie alle erzählen, sondern ein Marienverehrer...

Und gegen Peyrefitte's Enthüllung der Hintergründe für Roncalli's Namenswahl als Papst setzt man dann besser eine Legende dagegen, in der kein Freimaurer vorkommt, uns so sieht Roncalli sich (also angeblich 1935) auf Seite 83 selbst als zukünftigen Papst, ohne sich zu erkennen, ja, das scheint zu funktionieren, und Carpi kommentiert:
"Der Hinweis auf das 'siebte Siegel' könnte die Johannes-Apokalypse betreffen oder auf den Namen des Papstes verweisen."

Und Carpi winkt seiner Zielgruppe der Konservativen mit dem Zaunpfahl, um deren Kritik an Roncalli abzumildern: "Als er vom Konzil spricht, bestätigt er klar, daß er dessen Konzept in den Unterlagen seines Vorgängers gefunden hat. Er gibt Fehler zu, aber er sagt, daß sie einem guten Zweck dienen werden."

Also doch kein freimaurerischer Modernist, sondern ein seinem Vorgänger Verpflichteter, darf nun Carpi's Leser zu Ende denken.

Natürlich darf für eine gelungene PR-Aktion nach allen schwer verständlichen prophetischen Verlautbarungen ein eingängiges Fazit nicht fehlen, damit die Propaganda ihren Sinn erfüllt und beim Leser das Entscheidende "hängen bleibt". Wir finden es auf Seite 177 (viertletze Seite):

"Die initiatorische Vereinigung, die gemäß der Überlieferung und dem Dokument der drei Meister, das ich als Erster
vollständig veröffentlichte, wirklich frei ist und Johannes aufgenommen hat, hat nichts teuflisches, Verbotenes oder etwas aus dem Bereich der Schwarzen Magie an sich.
...
Diese Überlieferung ist die Schwester des Christentums, das sie immer in Ehren gehalten hat."

Zu rechnen war mit einer abschliessenden Feststellung dieser Art bereits ab Seite 12, wo Carpi schlussfolgert, dass "Die seit kurzem eingenommene Haltung der katholischen Kirche gegenüber den Geheimbünden - es mag hier genügen, ihren Einfluß auf die Freimaurerei mit der Abschaffung der Exkommunikation zu zitieren - bestätigt, daß die Entstehung einer esoterischen Denkweise innerhalb der Kirche nicht nur möglich, sondern vielleicht auch unumgänglich ist."

Damit setzt er - mit billigen rhetorischen Mitteln - "Geheimbünde" mit "esoterischer Denkweise" gleich, suggeriert außerdem, daß es innerhalb der katholischen Kirche zwar noch keine "esoterische Denkweise" gäbe, aber diese durch die "seit kurzem eingenommene Haltung ... gegenüber den Geheimbünden" nun endlich möglich wäre.
Das ist PR in eigener Sache.

Carpi als Übermittler der Texte hat bei mir einen Platz in der Tonne. Ganz, ganz unten.
Sein Satz "Der wahre Eingeweihte hat ein Leuchten in seinem Gesicht, das ihn von den anderen Menschen unterscheidet" (Seite 62), mit dem er dem Leser seine Menschenkenntnis beweisen möchte, lässt mich vermuten, daß er jeden Maniker für einen Eingeweihten halten würde und darum darf er auch nie mehr raus aus der Tonne.

Die Texte, für deren Autor ich ihn nicht halte, mögen prophetischen Charakter haben oder auch nicht, ich maße mir kein Urteil an, aber die von Dir angeführten Belege reichen mir nicht aus:

1) ein Sakophag ist keine Urne, noch weniger ist "ein" Sakophag "die Urnen"

2) die Anthropologen unter den Archäologen suchen immer schon nach den Spuren "des ältesten Menschen", das sind sie schon wegen der verbratenen Forschungsgelder der Öffentlichkeit schuldig, wie auch von Zeit zu Zeit die Erfolgsmeldung, daß man die - derzeit - ältesten soeben gefunden habe. Und dann noch ältere. Und nochmals ältere. Aber eben nicht unter dem Petersdom neben "den Urnen". Warum also im Text im selben Satz wie die Urnen, wenn sich der prophetische Gehalt Deiner Interpretation auf einen ganz anderen örtlichen und zeitlichen Vorgang bezieht

3) die "70 Jahre" und das "verfluchte Buch": Wenn Carpi einen Quellen-Text 'verbessert' oder ergänzt haben sollte, erinnert mich das fatal an Nostradamus "73 Jahre und 7 Monate", die man, um mit den sonstigen biblischen 7er, 70er, 77er und 7x70er in den Texten keinen Stilbruch zu erzeugen, auf 70 abrundet. Die Erklärung ist weit hergeholt, aber was ist mit China, Nordkorea, und Russland ist auch jetzt noch keine Demokratie. Insoweit ist auch die Interpretation in Bezug auf den Zusammenbruch der SU nicht überzeugend.

4) bleibt die Mauer. Die ist zwar weg, aber der Kontext, aus dem kann ich nichts, aber auch gar nichts an symbolischem Bezug zu den damit einhergehenden Ereignissen erkennen.

Alles in Allem, ich wüsste nicht, wie man zweckgebundene Veränderungen und Entstellungen, die ich Carpi unterstelle, erkennen könnte, sollte es einen 'seriösen Ur-Text' geben, den er benutzte, was ich aber annehme.

Ich hoffe sehr, daß ich Dir mit meiner Kritik an Carpi nicht die Beschäftigung mit den Texten vermiest habe.

Und weil ich viel, viel unsachlicher als in meinem letzten Beitrag zu diesem Thema war, ich gebe es zu, darum gehe ich auch freiwillig in die Jahrmarkts- und Schießbuden-Ecke, weil ... es dort Zuckerwatte gibt.

Mit freundlichem Gruß
Ulrich

Und seit 2001 ganz Italien

Eyspfeil, Vorort Stuttgart, Samstag, 23.04.2011, 04:31 vor 4756 Tagen @ Ulrich (2908 Aufrufe)
bearbeitet von Eyspfeil, Samstag, 23.04.2011, 04:44

Hallo Ulrich!

Danke für diesen ausführlichen Beitrag.
Hast Dich ziemlich reingekniet in die Materie.
Darf ich noch ergänzen, nicht ganz zum Kern
des Beitrags passend:

Eine schlechte Presse für die Freimaurerei zu einem Zeitpunkt, als Licio Gelli bereits zahlreiche Kleriker für seine Loge P2 angeworben hatte:
Franco Biffi, Rektor der päpstlichen Lateranuniversität
Alberto Bovone, Sekretär der Glaubenskongregation
Giovanni Caprile (SJ) langjähriger Direktor der offiziellen
vatikanischen Jesuitenzeitung „Civilta Catholica"
Agostino Casaroli, langjähriger vatikanischer Außenminister
und Kardinalstaatssekretär
Allessandro Gottardi, Erzbischof von Trient
Virgilio Levi, langjähriger Vize-Direktor der offiziellen
vatikanischen Tageszeitung „L Osservatore Romano"
Pasqual Macchi, Sekretär Pauls VI.
Paolo Marcinkus, Präsident der Vatikanbank
Virgillio Noe, päpstlicher Zeremonienmeister und
Leiter der Gottesdienstkongregation
Ugo Poletti, Kardinal und Generalvikar der Diözese Rom
Roberto Ducci, langjähriger Generaldirektor von Radio Vatikan
Kardinal Jena Willst, Vorgänger Casarolis im Staatssekretariat
usw.

Und seit 2001, als Chef Berlusconi (vorläufig, bis forumsrelevante
Ereignisse in Gang kommen) endgültig die Macht
übernommen hat, ist ganz Italien in den Händen der P2.
Der reichste Mann Italiens, alle Medien unter seiner Kontrolle,
verhängt den Notstand nach Belieben; den Rest kriegt man ja
beim Lesen der Tageszeitung & im TV mit...

Mit herzlichen Grüßen,
Eyspfeil

P2, P3

Ulrich ⌂, München-Pasing, Samstag, 23.04.2011, 04:53 vor 4756 Tagen @ Eyspfeil (2774 Aufrufe)

Hallo Eyspfeil,

Und seit 2001, als Chef Berlusconi (vorläufig) endgültig die Macht
übernommen hat, ist ganz Italien in den Händen der P2.

und auch sonst alles wie gehabt, nur das Personal wurde ausgetauscht. Statt David Yallop, der noch gezwungen war, sich in seinem Buch auf Schlussfolgerungen und Mutmaßungen zu beschränken, gibt es nun den 'dokumentenechten' Bericht von Gianluigi Nuzzi, "Vatikan AG". Die italienische Presse hat bereits den ironischen Begriff "P3" erfunden, mangels eigener offizieller Namensgebung des organisierten Filzes aus Kirche und Politik.
Auf welche "Enthüllung" soll man denn da warten, die ein Carpi in Aussicht stellt, wenn nach allen bisherigen haarsträubenden Enthüllungen weitergewurstelt wird, als wäre alles in Ordnung?

mit freundlichem Gruß
Ulrich

Bitte nicht zuuu viel Zuckerwatte -

Gerhard, Montag, 25.04.2011, 20:54 vor 4753 Tagen @ Ulrich (2697 Aufrufe)

- lieber Ulrich,

denn ich habe Angst, dass Du mir dann im Jahrmarktsrummel abhanden kommen könntest. Der Unterschied zwischen der Schießbude und Dir ist nämlich der, dass Du mit scharfen, echten und wahrhaftigen Geschossen schießt. Und ich liebe es, wenn solche Kugeln pfeiffen!

Insgesamt hast Du nun drei (eventuelle) Modelle für die John.Proph.XXIII (=PJ) aufgestellt:

(1) sie ist eine theosopische "Veranstaltung",
(2) sie ist eine Heuchelei, Lügnerei und Verfälschung von Carpi,
(3) sie ist eine PR-Aktion von Licio Gelli.

Das ist ein bißchen viel auf einmal, und ich weiß auch nicht, ob es zwischen diesen Varianten auch noch Querbeziehungen geben soll.

ad (1)

Die Lady (Caithness, Maria de Mariategui, Duchesse de Medina Pomar) ist schon lange tot, der von ihr gegründete Zweig der Theosophie verdorrt. Ihr einst nahe- und noch heute bestehende andere Zweige (etwa die Église gnostique apostolique) halte ich nicht für fähig, einen Text wie die PJ in die Welt zu setzen. Es fehlt mir also die Verbindung von der Duchesse zur Gegenwart (oder meinetwegen zu den 1970er Jahren), es fehlt mir ein erkennbares Motiv, ein Interesse, ein Zweck. Bei Filmen und Romanen findet sich im Abspann oft der Satz "Ähnlichkeiten zu lebenden Personen sind reiner Zufall". Nicht ganz so schlimm, aber doch ungefähr so stelle ich mir das hier ebenfalls vor. Jedenfalls aber fand ich Deinen Hinweis auf die Theosophie und speziell MdM sehr wertvoll und werde, wenn zurück in Deutschland, mir die Bücher von MdM genauer ansehen.

Übrigens habe ich mich ganz am Anfang meines Studiums der PJ auch von der Carpi-Rahmenstory mißleiten lassen und bin all den Geheimgesellschafts-Angelegenheiten nachgegangen, über die er schreibt. Habe sogar all den Ablegern westlicher Geheimgesellschaften im Nahen Osten und der Türkei nachgegrubelt, aber es hat zu gar nichts geführt, außer (und das ist sehr wichtig) zu der Erkenntnis, dass es verdeckt wuchernde Schleimpilze auch in der menschlichen Geschichte gibt und dass die Vorgeschichte des Faschismus (auch des deutschen, Stichwort "Sebottendorf") zu einem guten Teil im sterbenden Osmanischen Reich geschrieben wurde, mit der Tinte des "schwarzen italienische Adels". Ich traue auch der Theosophie nicht wirklich über den Weg. Ihre Nähe zu den alten Geheimdiensten ist zuuu offensichtlich. Der Autor der PJ hat sehr wahrscheinlich Einblick in all diese Kreise gehabt, aber er handelt meiner Auffassung nach nicht als deren Vertreter. Ihm geht es primär um eine reine (Katholische) Kirche, er ist zwar intellektuell aber mit übervollem Herzen marienfromm. Die Konzessionen, die er an die Reinkarnation, an Wissenschaft, an die Gnostik und an die UFOs macht, sind aus dieser engen katholischen Schießscharte mehr als kurios und eigentlich nicht verständlich, selbst wenn man die Theosophie als eine Einfärbungsschicht dazunimmt. Gibt es Theosophen, die mit UFOs rechnen? Und was, wenn diese scheinbaren Konzessionen einer Wahrheit entsprechen würden? ***)

ad (2)

Carpi mag ein Heuchler und Lügner gewesen sein, aber wie wollen wir ihm das in Bezug auf die PJ nachweisen? Wir haben ja nicht die angeblichen "Originale" und können daher auch nicht wissen, wie er sie (wenn auch nur durch seine Rahmenstory) verfälscht hat. Wenn ich Dich richtig verstehe, ist das auch Deine Schlußfolgerung, und ich hatte es in meinem letzten Beitrag schon ähnlich ausgedrückt. Mein "natürlich war Carpi in der P2" - bezieht sich auf die 74 Bücher, die Carpi veröffentlicht hat (er war offenbar ein Sehrvielschreiber), von denen ich einige angeblättert habe - und nach deren Lektüre ich wirklich kein Bedürfnis mehr hatte, über ihn im Internet weiteres zu recherchieren. Bei Dir hatte ich (stillschweigend) vorausgesetzt, dass Du in die italienischen Verbundkataloge reingeschaut hattest. Carpi war schon in den frühen 1970er offenbar der italienische "Fachmann" für geheime Wissen- und Gesellschaften. So schien es mir "natürlich", dass "man" ihn kontaktiert und eingeladen hat. Im übrigen hat er ja auch ein Buch über Gelli geschrieben ...

Könnten wir uns einigen, dass wir uns über Carpi und seine selbst zusammengesponnenen Geschichten nicht mehr unterhalten? Du ordnest Carpi der Tonne zu, ganz unten. Und ich selbst möchte mich einfach nicht mit seiner Person und seinem Leben beschäftigen. Das kommt wohl beide Male aufs gleiche raus.

ad (3)

Über das Verhältnis der Katholischen Kirche zur Freimaurerei und zur P2 (die eigentlich nicht zur klassischen Freimaurerei gehört, sondern nur deren Mäntelchen sich umhängen wollte), gibt es sooo viele Ansichten und Spekulationen, dass wir uns wahrscheinlich verheddern würden und den Rahmen des Forums verlassen, wollten wir das alles angemessen vertiefen. Was ganz zentral Deiner Vermutung widerspricht, hinter der Proph.John.XXIII stecke ein Interesse der P2 bzw. ihres Führers Gelli, ist die Tatsache, dass die Proph.John.XXIII ein vehementer Gegner von Verschwörungen ist. Sie kennt sehr genau die geheimen Machenschaften in den Hinterzimmern des 20. Jahrhunderts, ihr Autor sollte ein Verschwörungsfachwissenschaftler gewesen sein (von denen es in den 1970er Jahren noch gar nicht sooo viele gab) - aber er zeigt mit einem drohenden Finger auf diese dunkle Welt. Warum sollte Gelli beim Bemühen, den Roncalli-Papst aufzuwerten (so Deine Vermutung!), gleichzeitig solche Selbstkritik üben? Und warum etwa sollte Gelli den Nachfolger von Roncalli, praktisch seinen eigenen Zeitgenossen, Papst Paul VI., dann dermaßen hart angreifen (vgl. den Text zu Paul VI.)> Wie ich bereits in meinem letzten Beitrag sagte, verurteilt die PJ die Freimaurerei und (wie eben erwähnt) die Aktivitäten aller Arten von Geheimgesellschaften und von systematischer politischer Intrige. Ich vermute, dass mit dem "dritten Kopf des Bösen, der seit jeher am Busen der Mutter ruhte, aber ein Feind der Mutter und des Vaters ist" die Freimauererei gemeint ist - in sehr allgemeiner Weise, denn sie stammt mit einer ihrer Wurzeln ja von den mittelalterlichen Kirchen- und Klosterbaumeistern ab (Bauhütten), deren Entscheidungsträger allesamt selbst Priester waren - durch ihre weltliche Kenntnisse und Bauprojekte aber ständig in Versuchung standen (und zu oft ihr erlagen) vom Pfad der Tugend abzukommen ...

Ich darf, da ich nun zu Deinen drei PJ-Modellen Stellung genommen habe, des weiteren auf Deine Gedanken zu "den Schritten des ersten Menschen", zu den "Urnen" (was Du mit "Sakophag", zwei Male, meinst, verstehe ich nicht), zu den "70 Jahren" und zum "Fall der Mauer" eingehen.

Den Fall des Kommunismus empfindest Du mit Hinweis auf Nordkorea etc. nicht vollständig. Nun ist die Frage, ob das dort im Kern Kommunisten sind. Aber die PJ sagt ja überdeutlich, dass "das Buch" immer Anhänger haben wird, "bis ans Ende aller Tage". Soll auf Deutsch wohl heißen: solange es Menschen auf der Erde gibt, wird auch die Idee des Kommunismus nicht aussterben. Ist eine ziemlich gewagte Prophezeiung, deren Bewahrheitung wir wohl nicht mehr erleben werden.

Du versuchst, die bestätigten Voraussagen zu zerreden. Das darf man machen. Etwa indem, man sagt, 70 Jahre für den Kommunismus lagen aus diesem und jenem (traditionell zahlensymbolischen) Grund nahe - also wurde getippt. Und auf die "Schritte des ersten Menschen" kann man ebenfalls mal tippen. Ist also ungefähr wie beim Lotto. Leider waren die vier Beispiele aber Treffer. Wenigstens man kann sie so sehen. Und da sie auf ziemlich verschiedenen Lottoscheinen gemacht wurden, ist das durchaus auffällig.

Deine Einwände werfen eine zentrale Frage auf, die auf dem Forum möglicherweise noch gar nicht systematisch und gründlich diskutiert wurde: wann gilt eine Voraussage als bestätigt? Dafür sollten m.E. Kriterien aufgestellt werden. Wir wissen, dass es Voraussagen von der folgenden Form nicht gibt: am Morgen des 11.Sept.2001 werden Flugzeuge in die beiden WTC-Türme hineinfliegen und gegen Mittag wird man die beiden Türme und ein Nebengebäude sprengen. Stattdessen gibt es diffuse Träume, Ahnungen und Vision mit "Teilansichten" dieses Geschehens oder seiner Auswirkungen auf betroffene Personen. Ab wann gelten solche Voraussagen als bestätigt? Nach welchem Merkmalskatalog geht man da vor? Ich würde gern die Frage an Taurec richten, ob dazu schon einen Kriterienkatalog oder eine "Definition" hat. Für mich selbst suche ich deswegen primär nach Voraussagen, die extrem spezifische und präzise Merkmale tragen (wie etwa der Funkenregen). Denn was ein "Kältesommer" ist, darüber lässt sich möglicherweise endlos streiten.

Ich darf noch ein Beispiel aus der PJ geben, um dieses Problem, wann eine Voraussage als eingetroffen gilt, zu illustrieren. Zu den nach meiner Einschätzung klar bestätigten Voraussagen der PJ gehört die Charakterisierung des Pontifikats von Johannes Paul II. Ich habe dazu schon einiges zusammengestellt unter

https://schauungen.de/forum/index.php?id=6331

Du eröffnest mir nun die Gelegenheit, etwas nachzutragen. Bei der Charakterisierung von JP II findet sich ein wieder mal ein überaus marienfrommen Satz: Die Mutter der Kirche wird die Mutter der Welt.

Bekanntlich hat JP II die Führer und Vertreter der Weltreligionen zwei Male zum Gebet nach Assisi eingeladen. Die Treffen fanden und finden seither regelmäßig statt in der Kirche Santa Maria degli Angeli (Unsere Liebe Frau von den Engeln). Ich bringe nun, um nicht der Parteinahme für die Katholische Kirche bezichtigt zu werden, einen sehr kritischen Bericht über diese Treffen:

Einen Höhepunkt als Missionar für den Götzendienst erlebte der Papst beim Kongreß der Religionen in Assisi. Da forderte er für sich die Rolle eines religiösen Weltenführers. Wojtyla hatte alle Religionen zum gemeinsamen Gebet nach Assisi eingeladen. Und sie kamen alle: Krethi und Plethi, Mullas und Yogis, Hotten und Totten, Hindus und Moslems. Friede, Friede keine Gefahr. Mutter Teresa war auch da und Weltkirchenratschef Castro. Gleich neben dem Papst saß der Dalai Lama, göttliches Oberhaupt der Buddhisten. Fehlen durften natürlich auch nicht die beiden Präsidenten des Weltbaptistenbundes und des Methodistischen Weltbundes.

Man bedenke: die altchristlichen Märtyrer weigerten sich standhaft, den Göttern zu opfern und wurden deswegen gefoltert und zu Tode geschunden. Sie wußten, daß die Anerkennung fremder Religionen Abfall von Gott ist. Und nun kommt dieser Gnom aus Rom und lädt die Götterpriester, um deren Ablehnung willen die Märtyrer grausam sterben mußten, nach Assisi ein, wo sie ihren Götterdienst zelebrierten, in einer christlichen Kirche! Auf dem Altar dieser christlichen Kirche hatte man frivol eine Buddha Statue aufgestellt.

Es gibt so viele menschliche Blickweisen auf die Welt, wie es Menschen gibt. Jeder darf auch urteilen, und muss sich deshalb Beurteilungen auch gefallen lassen. Trotz der negativen Einfärbung in diesem Bericht ist aber für das Treffen in Assisi erkennbar (wenigstens für mich), dass Johannes Paul II. sich an die Spitze stellen wollte: die katholische Kirche als "Mutter der Welt". Vor knapp 1000 Jahren, ja vor 500 noch, hätte man die anderen Religionen lieber allesamt einen Kopf kürzer gemacht. Heute geht man "zärtlich" mit diesen Religionen um. Es liegt hier ein erkennbares, spezifisches Charakteristikum vor, das ich persönlich als bestätigte Voraussage werten möchte.

Die Proph.John.XXIII erhebt bereits in ihrem dümmlichen Titel (der wohl auch von Carpi stammt) den Anspruch, Voraussage zu sein. Sie tut es aber auch in den Texten selbst. Die Bestätigungen nach nach 1976 kann man zwar zerreden, aber auch anerkennen. Das bleibt jedem selbst überlassen. Wir befinden uns bei allen Materialien, die hier auf dem Forum behandelt werden, im Optionalen und im Potentialen. Es geht hier (das ist meine persönliche auffassung) nur darum, ob man totalen Schwach- oder Anderssinn von echten Möglichkeiten oder gar von Wahrscheinlichkeiten abtrennt. Die Texte der Proph.John.XXIII sind in meinen Augen wirklich nicht der totale Schwachsinn. Sie zeigen sehr solide Kenntnisse der Geschichte, sie haben Urteilsvermögen und sprachliche Kraft ****), und sie haben eben für die Zeit nach 1976 Aussagen gemacht, die man als "wahrgeworden" ansehen kann. Das alles ist für mich Anlass, sie ganz pragmatisch als Werkzeug zu gebrauchen, um mit ihrer Hilfe weitere anstehende geschichtliche Entwicklungen zu betrachten.
Sie macht beispielsweise Aussagen über die nächsten beiden Pontifikate, über einen afrikanisch-arabischen Führer, der (demnächst vielleicht?) in der Wüste verbluten wird, über wichtige Vorgänge in Russland etc. etc. etc. - sie redet von einer Weltenwende und spricht sogar diejenigen namentlich an, die nach der Wende die Welt regieren wollen. Leider redet sich auch von Blumen, die die Welt so dringend braucht. Ist es das, was dem Forum nicht gefällt? Gefallen hier mehr solche Sätze wie: "dann fliegt den Tschechen ihr ganzes Land um die Ohren!" - von einem extrem kompetenten Autor, der gleichzeitig bei anderen "Gewaltphantasien" kritisiert?

Du hast, lieber Ulrich, noch die Mariensäule in München erwähnt. Wieso sie 1917 geweiht worden sein soll, entzieht sich meiner Kenntnis, und ich kann es jetzt von hier aus nicht recherchieren. Ich dachte, sie stünde dort schon seit dem Dreissigjährigen Krieg. Bei dem Satz "In der Hälfte die Statue", zieht es mich selbst gedanklich ins ebenfalls marienfromme Polen, aber ich hatte noch keine Zeit, dieser Ahnung anhand von Fachliteratur nachzugehen. Es sollte sich um eine aktive Marienbotschaft oder -erscheinung oder um ein Marienwunder (an einer Statue?) handeln, wie Fatima im Westen und wie die "Offenbarungen" der Chlysten in Russland (die ich aber auch noch nicht präzise identifizieren konnte, weil mir die entsprechenden Sprachkenntnisse bzw. Kontakte fehlen).

Ich hoffe, damit angemessen auf Deine Einwürfe geantwortet zu haben und danke Dir für eben dieselben. Ich werde in einem parallelen Beitrag noch einen Vergleich von PJ mit dem Lindenlied versuchen und, da ich für heute über einen einigermaßen stabilen Internetzugang verfüge (wenn auch in einer Cypercafe-Schwitzkabine nahe 40 Grad), auch ein paar Kommentare zu paralleln Threads ins Forum stellen.

Beste Grüße, Gerhard


***) An dieser Stelle vielleicht ein Seitenblick auf das Dokument mit den "drei unsterblichen Meistern", obwohl das nicht zu den Texten der PJ gehört. Von Henoch und Elias abgesehen war der "erste unsterbliche Meister" in der jüdisch-christlichen Tradition ein Mann aus Galiläa. Und seither glaubten und glauben immer noch Millionen Menschen an diese "Unsterblichkeit". Aber auch andere Religionen kennen vergleichbare Traditionen und Hoffnungen.

****) ein sehr schönes Beispiel ist die Beschreibung des Verhältnisses von Hitler zu Mussolini "Bruder, Vater, Herr". Hier wird mit einfach verständlichen Worten und nicht mehr überbietbarer Kürze alles wesentliche zu den beiden ausgesagt. Anfangs war Hitler der Bruder und Kollege, man hat sich gegenseitig geholfen (es kamen bereits in den 20ern Gelder aus Italien über die Schweiz an die NSDAP), hat sich auch mißtraut (Mussolini war gegen den Anschluss Österreichs). Hernach hat Hitler dem Mussolini vielfach "väterlich" geholfen, etwa nach dessen mißglückten Feldzügen in Nordafrika und Griechenland oder bei seiner Befreiung aus der Gefangenschaft. Danach aber hatte Mussolini zu befolgen, was Hitler ihm vorgab. Diese Charakterisierung ist einfach treffend.

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Es gibt keinen Merkmalskatalog

Taurec ⌂, München, Montag, 25.04.2011, 22:55 vor 4753 Tagen @ Gerhard (2615 Aufrufe)

Hallo!

Deine Einwände werfen eine zentrale Frage auf, die auf dem Forum
möglicherweise noch gar nicht systematisch und gründlich diskutiert wurde:
wann gilt eine Voraussage als bestätigt?
Dafür sollten m.E. Kriterien
aufgestellt werden. Wir wissen, dass es Voraussagen von der folgenden Form
nicht gibt: am Morgen des 11.Sept.2001 werden Flugzeuge in die beiden
WTC-Türme hineinfliegen und gegen Mittag wird man die beiden Türme und ein
Nebengebäude sprengen. Stattdessen gibt es diffuse Träume, Ahnungen und
Vision mit "Teilansichten" dieses Geschehens oder seiner Auswirkungen auf
betroffene Personen. Ab wann gelten solche Voraussagen als bestätigt? Nach
welchem Merkmalskatalog geht man da vor? Ich würde gern die Frage an Taurec
richten, ob dazu schon einen Kriterienkatalog oder eine "Definition" hat.
Für mich selbst suche ich deswegen primär nach Voraussagen, die extrem
spezifische und präzise Merkmale tragen (wie etwa der Funkenregen). Denn
was ein "Kältesommer" ist, darüber lässt sich möglicherweise endlos
streiten.

Einen solchen "Katalog" gibt es noch nicht und er wäre wohl auch nicht von Nutzen. Durch ein wissenschaftliches Standardverfahren kommen wir mit der Interpretation nicht zurande, weil die Aussagen sich in Klarheit, bzw. Unschärfe, Symbolik und Verfälschung sehr stark unterscheiden. Man muß daher jeden Seher oder jede Aussage für sich betrachten. Wann man sie als eingetroffen wertet, ist dann natürlich persönliche Interpretation und wird zwangsläufig zu Zerwürfnissen führen.

Die Kriterien für das Eintreffen einer Aussage können meines Erachtens nur aus der jeweiligen Aussage gewonnen werden.
Wenn wir zum Beispiel für den Kältesommer eine Schauung haben, in der jemand ein gefrorenes Schwimmbecken sieht (haben wir: Ewald), kann man daraus ableiten: Es ist eine Jahreszeit, in der die Freibäder bereits ausgemottet und die Becken gefüllt sind, wenn die Temperaturen unter den Gefrierpunkt fallen werden.

"Kältesommer" ist nicht die Seheraussage. Der Kältesommer ist ein Modell, das wir uns durch die Zusammenfassung mehrerer ähnlicher Schauungen gebildet haben. Maßgeblich sind aber immer noch die einzelnen Schauungen, die tatsächlich präzise Angaben enthalten. Unter Umständen können die Schauungen alle eintreffen, jedoch nicht im Rahmen desselben Ereignisses. Dann hätten die Seher richtig gelegen, aber unser Modell wäre falsch gewesen.

Je größer die Unwägbarkeiten sind, desto weiter gehen die Deutungen auseinander, bis man sich, wie bei Nostradamus (und meines Erachtens auch Johannes XXIII.), gar nicht mehr sicher ist, was da eigentlich steht. Der Übergang zum Glauben ist fließend. Daraus von allen akzeptierbare Richtlinien abzuleiten, ist nicht möglich.

Ich weise auch darauf hin, daß ein Merkmalskatalog, den man nur aus der Analyse der Schauungen gewinnen könnte und für alle Seher pauschal als gültig annehmen würde, daß die wissenschaftliche Methode also immer zu einer Reduktion der Wirklichkeit führt. Man erhielte ein Schema, das man stur auf alle Schauungen anwendete, wobei deren Besonderheiten gar nicht mehr wahrgenommen werden würden. Informationen würden mißachtet (der Hintergrund des Sehers, wie gesehen wurde, spezifische Symbolik, etc.), die für das richtige Verständnis einer bestimmten Schau, für das "Geraderücken", unerläßlich sind.

Wissenschaftliche Methoden sind bei der Quellenforschung und Textkritik, um Fälschungen zu erkennen und gegenseitige Beeinflussung von Texten, anwendbar. Sobald es sich aber um die Deutung der Texte in Hinblick auf die Zukunft handelt oder rückblickend auf Eingetroffenes, ist die Beschäftigung mit Schauungen eine eher intuitive Sache, die vor dem persönlichen geistigen Hintergrund erfolgt. Wahrscheinlich würde bereits der Versuch der Einigung auf Kriterien (wobei mir eine Vorstellung fehlt, wie ein solches beispielhaft überhaupt aussähe) in Streit ausarten, weil jeder anderes für wichtig und richtig hält.

Gruß
Taurec

--
„Es lebe unser heiliges Deutschland!“

„Was auch draus werde – steh zu deinem Volk! Es ist dein angeborner Platz.“

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Mariensäule 1917

Taurec ⌂, München, Montag, 25.04.2011, 23:11 vor 4753 Tagen @ Gerhard (2731 Aufrufe)
bearbeitet von Taurec, Montag, 25.04.2011, 23:18

Hallo!

Du hast, lieber Ulrich, noch die Mariensäule in München erwähnt. Wieso sie
1917 geweiht worden sein soll, entzieht sich meiner Kenntnis, und ich kann
es jetzt von hier aus nicht recherchieren. Ich dachte, sie stünde dort
schon seit dem Dreissigjährigen Krieg. Bei dem Satz "In der Hälfte die
Statue", zieht es mich selbst gedanklich ins ebenfalls marienfromme Polen,
aber ich hatte noch keine Zeit, dieser Ahnung anhand von Fachliteratur
nachzugehen. Es sollte sich um eine aktive Marienbotschaft oder
-erscheinung oder um ein Marienwunder (an einer Statue?) handeln, wie
Fatima im Westen und wie die "Offenbarungen" der Chlysten in Russland (die
ich aber auch noch nicht präzise identifizieren konnte, weil mir die
entsprechenden Sprachkenntnisse bzw. Kontakte fehlen).

Wahrscheinlich ist dieser Vorgang gemeint:
http://www.traunsteiner-tagblatt.de/includes/mehr_chiemg.php?id=617

"In der Vorsehung Gottes gibt es keine Zufälle. Es fällt auf, dass Bayern einen Tag nach der ersten Erscheinung der Gottesmutter in Fatima am 13. Mai 1917 auf Anweisung des Papstes zum ersten Mal das Fest seiner Schutzherrin beging – einen Tag auch nachdem der spätere Papst Pius XII., Eugenio Maria Giuseppe Pacelli, die Bischofsweihe empfangen hatte, der später apostolischer Nuntius in Bayern wurde und als solcher mit der päpstlichen Friedensvermittlung betraut war. Diese innere Verbindung der Einsetzung Mariens als Patrona Bavariae mit Fatima wird im Weihegebet Bayerns an die Muttergottes ganz konkret zum Ausdruck gebracht, wenn es dort heißt: »Wir weihen uns Deinem Unbefleckten Herzen.« – Die letzte offizielle Erneuerung dieser Weihe fand vor genau 30 Jahren statt."

Vermutlich wurde nicht die Mariensäule, sondern Bayern an der Mariensäule nunmehr "offiziell" der Maria geweiht.

Gruß
Taurec

--
„Es lebe unser heiliges Deutschland!“

„Was auch draus werde – steh zu deinem Volk! Es ist dein angeborner Platz.“

Re: Mariensäule 1917

Eyspfeil, Vorort Stuttgart, Mittwoch, 27.04.2011, 00:58 vor 4752 Tagen @ Taurec (2614 Aufrufe)

Hallo Taurec!

Vermutlich wurde nicht die Mariensäule, sondern Bayern an der
[quote]Mariensäule
nunmehr "offiziell" der Maria geweiht.
[/quote]

Kann man wohl so sagen.
Das erste Mal bereits 1916:

"Der bayerische König Ludwig III. und seine Gemahlin Marie Therese wandten sich während des ersten Weltkriegs an Papst Benedikt XV. mit der Bitte, auch durch den päpstlichen Stuhl Maria zur Schutzpatronin Bayerns erklären zu lassen und ein bayerisches Marienfest zuzulassen. Papst Benedikt gewährte beide Bitten am 26. April 1916. Am 14. Mai 1916 wurde das Fest in München erstmals begangen, das Jahr darauf, 1917, in allen bayerischen Diözesen. Der heute gebräuchliche Termin – der 1. Mai – wurde 1970 eingeführt."

Gruß,
Eyspfeil

John.Proph.XXIII

Ulrich ⌂, München-Pasing, Dienstag, 26.04.2011, 03:12 vor 4753 Tagen @ Gerhard (2917 Aufrufe)

Hallo Gerhard,

Insgesamt hast Du nun drei (eventuelle) Modelle für die John.Proph.XXIII
(=PJ) aufgestellt:

(1) sie ist eine theosopische "Veranstaltung",
(2) sie ist eine Heuchelei, Lügnerei und Verfälschung von Carpi,
(3) sie ist eine PR-Aktion von Licio Gelli.

Das ist ein bißchen viel auf einmal, und ich weiß auch nicht, ob es
zwischen diesen Varianten auch noch Querbeziehungen geben soll.


Wenn bei Dir der Eindruck des "bißchen viel auf einmal" entstand, habe ich vermutlich zu unklar oder zu weitschweifig formuliert:

(1) daß die Publikation eine "theosopische Veranstaltung" gewesen wäre, war weder von mir angedacht noch habe ich in diese Richtung argumentiert. Ich hatte lediglich die Vermutung, vor allem wegen Deiner Charakterisierung des Textes, daß es einen Versuch wert wäre, eine Text-Vorlage - sollte es eine geben - in der französischen theosophischen Ecke zu suchen, gerade weil dieser "Zweig der Theosophie verdorrt" ist, wie Du schreibst, deshalb deren Texte eben auch weit weniger bekannt sind als die 'orthodoxe' Theosophie Blavatskys's. Nachdem ich das Buch erneut gelesen habe, ist mein Aha-Effekt, den ich nach Deiner Charakterisierung hatte, allerdings verblasst, und ich vermisse ebenso wie Du

die Verbindung von der Duchesse zur Gegenwart (oder meinetwegen zu den 1970er Jahren)

(2) und (3) sehe ich nicht als entweder-oder, sondern als sowohl-als-auch Variante, aber anders als (1) nicht als Vermutung auf eine mögliche Quelle bezogen, sondern hinsichtlich der Motivation für die Publikation, völlig unabhängig, ob Vermutung (1) richtig oder falsch sein mag.

"Heuchelei, Lügnerei" war auf den Widerspruch zwischen Carpi's Selbstdarstellung im Vorwort und seiner P2-Mitgliedschaft bezogen, weshalb ich die Vermutung einer Verfälschung des ggf. vorhandenen Quelltextes durch ihn, wo er dies für zweckmäßig hielt, nicht für abwegig, sondern für naheliegend halte.
Ich möchte nicht so verstanden werden, als hätte ich "Heuchelei, Lügnerei" auf den Text der John.Proph.XXIII selbst bezogen, und mit dem Quelltext, den ich vermute, hätte meine Kritik auch überhaupt nichts zu tun.

Was ganz
zentral Deiner Vermutung widerspricht, hinter der Proph.John.XXIII stecke
ein Interesse der P2 bzw. ihres Führers Gelli, ist die Tatsache, dass die
Proph.John.XXIII ein vehementer Gegner von Verschwörungen ist.

Wenn dies die Proph.John.XXIII kennzeichnet, dann scheint es mir geradezu absurd, daß deren Text durch die beiden von mir genannten Zitate aus der Vor- und Nachrede eingerahmt wurde, auf die Du aber leider mit keinem Wort eingegangen bist. Oder wie würdest Du den Satz verstehen "Diese Überlieferung ist die Schwester des Christentums, das sie immer in Ehren gehalten hat." >

Warum
sollte Gelli beim Bemühen, den Roncalli-Papst aufzuwerten (so Deine
Vermutung!), gleichzeitig solche Selbstkritik üben?

Weil es sich meines Erachtens nicht wie Du es nennst, um Selbstkritik handelt, sondern um Kritik an 'den' Freimaurer-Logen, mit denen sich Gelli ja, das ist ausführlich belegt, tatsächlich in den Jahren vor und nach der Publikation heftig zerstritten hat. In Bezug auf die Haltung zu Geheimbünden bleibt der Widerspruch zwischen eigentlichem Text und den genannten Zitaten des Vor- und Nachwortes bestehen, s.o.

Könnten wir uns einigen, dass wir uns über Carpi und seine selbst
zusammengesponnenen Geschichten nicht mehr unterhalten?

Ja, die Tonne bleibt zu ;-)

Ich darf, da ich nun zu Deinen drei PJ-Modellen Stellung genommen habe, des
weiteren auf Deine Gedanken zu "den Schritten des ersten Menschen", zu den
"Urnen" (was Du mit "Sakophag", zwei Male, meinst, verstehe ich nicht), zu
den "70 Jahren" und zum "Fall der Mauer" eingehen.

Das liegt an meiner legasthenischen Schreibweise (ich will mich nicht damit 'rausreden, meine Tastatur hätte kein 'r', oder ich wollte einen Buchstaben sparen), gemeint war Sarkophag, also Steinsarg, der laut Presseberichten
(z.B.: http://www.welt.de/kultur/article4019408/Kleine-archaeologische-Sensation-in-Rom.html) geöffnet wurde, und worauf Du das Beispiel einer erfüllten Prophezeiung bezogen hast:
https://schauungen.de/forum/index.php?id=11741

"Die Urnen werden in der Verschwiegenheit unter dem Schatz geöffnet,
und man wird die Schritte des ersten Menschen finden."

Ein Steinsarg enthält die sterblichen Überreste, eine Urne deren Asche nach Verbrennung der sterblichen Überreste, deshalb erscheint mir Deine Interpretation in Bezug zur Untersuchung des mutmasslichen Paulus-Sarkophages angesichts des Wortlauts der Prophezeiung als zu 'großzügig'.

Du versuchst, die bestätigten Voraussagen zu zerreden. Das darf man machen.

Nein, nein, nein: Ich bleibe dabei, daß ich mir kein Urteil über die Qualität des Textes anmaße, ich versuche allerdings kritisch zu sein, das ist hoffentlich nicht unerwünscht, weil der Text nicht in irgendeiner Gruft entdeckt, sondern jemand mit dem Auftrag der Veröffentlichung vorgelegt wurde, von diesem mit einer Vor- und Nachrede sowie einer Interpretation versehen wurde, zu der von Seiten des Überbringers weder eine Distanzierung noch ein Widerruf bekannt ist.

Weil ich einen (seriösen) Quelltext annehme, woraus Proph.John.XXIII hervorging, allerdings Veränderungen oder Ergänzungen vermute und kein 'Werkzeug' besitze, um diese erkennen zu können, bleibt mir nur abzuwarten, ob zukünftig eintreffende Voraussagen für mich den Schluss nahelegen, daß die von mir vermutete Redaktion des Textes doch nicht so sehr ins Gewicht fällt, wie ich derzeit befürchte.

Etwa indem, man sagt, 70 Jahre für den Kommunismus lagen aus diesem und
jenem (traditionell zahlensymbolischen) Grund nahe - also wurde getippt.

Seite 172:
"Newa - Siebenundsiebzig Jahre. Seit dem ersten Blut, das in deinen Wassern gefror, bis zum letzten Blut, dem der Freiheit. Zwei beinahe gleiche Männer, beide tot. Und dann der Triumph des Lebens."

Woraus sich mir drei Fragen ergeben: Sind die Jahreszahlen des Textes ("70 Jahre", "77 Jahre") wörtlich gemeint?
Hätte die SU sieben Jahre länger überlebt, wäre dann der Text von Seite 172 von Dir als Beleg für eine eingetroffene Prophezeiung interpretiert worden? Wenn Deine Interpretation, was den Text mit den 70 Jahren angeht, eine eingetroffene Prophezeiung war, handelt es sich dann bei dem Text auf Seite 172 um eine nicht eingetroffene Prophezeiung?

Und auf die "Schritte des ersten Menschen" kann man ebenfalls mal tippen.

Ja, alle Jahre wieder. Genau so geht die anthropologische Forschung vor, den derzeit ältesten bekannten Fund mit einem noch älteren zu ersetzen.

Du hast, lieber Ulrich, noch die Mariensäule in München erwähnt. Wieso sie
1917 geweiht worden sein soll, entzieht sich meiner Kenntnis, und ich kann
es jetzt von hier aus nicht recherchieren. Ich dachte, sie stünde dort
schon seit dem Dreissigjährigen Krieg. Bei dem Satz "In der Hälfte die
Statue", zieht es mich selbst gedanklich ins ebenfalls marienfromme Polen,
aber ich hatte noch keine Zeit, dieser Ahnung anhand von Fachliteratur
nachzugehen. Es sollte sich um eine aktive Marienbotschaft oder
-erscheinung oder um ein Marienwunder (an einer Statue?) handeln, wie
Fatima im Westen und wie die "Offenbarungen" der Chlysten in Russland (die
ich aber auch noch nicht präzise identifizieren konnte, weil mir die
entsprechenden Sprachkenntnisse bzw. Kontakte fehlen).

Das auf die Münchner Mariensäule bezogene Text-Fragment 'böser-Osten/Fatima-im-Westen/in-der-Mitte-die-Statue' findet sich in verschiedenen, aber in den genannten Punkten immer ähnlichen Varianten in zahlreichen konservativen katholischen Publikationen der '70er Jahre, und auch jetzt noch im Netz (drei Beispiele habe ich unten (*) angefügt). Daß die Münchner Mariensäule bereits seit dem Dreissigjährigen Krieg steht, ist richtig, das Standbild wurde jedoch wiederholt entfernt und nach der jeweiligen Rückkehr erneut geweiht. Die zitierte Gleichzeitigkeit ist meines Wissens falsch (Sturm auf den Winterpalast am 9. November 1917). Fakt ist, dass diese Behauptung im genannten Zusammenhang verbreitet wurde. Ich hinterfrage, warum ausgerechnet der Kommentator des Textes ("... In der Hälfte die Statue") vorgab, "Die Prophezeiung ist fast völlig unverständlich. ...", nicht ob das zitierte Datum korrekt ist, wann wer wo welche Säule weiht.

Vielleicht erscheint Dir meine Sichtweise zu paranoid: Ein wesentliches Merkmal der Manipulation durch Sprache / Texte sehe ich nicht in der Hammer-Argumentation, die überreden und überzeugen will, sondern in dem Vorgang, daß der Leser sich clever dabei fühlen soll, die beabsichtigten Schlussfolgerungen selbst und vermeintlich unbeeinflusst gezogen zu haben.

In diesem Falle: Der Leser soll durch die Andeutung des Bildes ("... In der Hälfte die Statue"), die der Kommentator 'fast völlig unverständlich' findet, erkennen, daß Johannes XXIII einen wesentlichen und 'die Zukunft entscheidenden' Kern der Marienverehrung als Bild erfasst hat, er sieht sich bestätigt, und das rote Tuch des Freimaurer(-Sympathisanten) verblasst zum rosa Mäntelchen des eingeweihten Rosenkreuzers.

mit herzlichem Gruß
Ulrich

(*)

Auf die Schnelle drei Beispiele aktueller Netz-Varianten:

http://www.oberpfalznetz.de/onetz/2646380-126-P2,1,0.html
"Am Anfang zitierte Dr. Anton Lässer Lenin, der 1917 an der Mariensäule in München gesagt haben soll: "An dieser Säule wird sich die Zukunft Europas entscheiden." An dem Tag, an dem er in Sankt Petersburg den Zarenpalast stürmte, wurde in München die Mariensäule geweiht."
(Hier soll Lenin AN der Mariensäule gesagt haben. Ob Irrtum des Journalisten oder Irrtum von Anton Lässer ist offen.)

http://www.landwirt.com/Forum/94336/Grenzenlos.html
" "An der Münchner Mariensäule entscheiden sich die Schicksale Europas", sagte Wladimir Iljitsch Uljanow, genannt Lenin, im Fatima- und Revolutionsjahr 1917, wie die Revolutionszeitschrift "Iskra" im selben Jahr veröffentlichte. Wieso interessierte sich der Atheist, Religionszerstörer und Massenmörder für eine Frau, die es gemäß Bolschewismus gar nicht geben dürfte?
...
Lenin war belesen. Er kannte nicht nur Marx, sondern auch die elementaren christlichen Bücher. Er wußte von den sich
feindlich gegenüberstehenden Heerbannern, sowohl bei Hesekiel wie in der Offenbarung des Johannes. Er wußte darum, daß sich beide in der Mitte zur Entscheidungsschlacht treffen würden. Die beiden Heere stehen einander gegenüber und man trifft sich zur Schlacht in der Mitte, wo die Entscheidung fallen wird. In der Mitte zwischen Fatima und Petrograd liegt München. Die Stadt mit der Mariensäule ist gleichermaßen von diesen beiden Städten entfernt. Warum benennt Lenin nicht auch München, sondern spricht von der dortigen Mariensäule? Ganz einfach, weil von Maria für ihn seit dem 13. Mai 1917 die größte Herausforderung droht."
(namenloser Fori)

http://www.drachensee-madonna.de/mariensaeule.html
"Zur Erinnerung: In der Not des Ersten Weltkrieges wandten sich König Ludwig III. von Bayern und seine Gemahlin an Papst Benedikt XV. und baten ihn, er möge die Gottesmutter zur Patrona Bavariae (Schutzpatronin Bayerns) erklären und die Feier eines eigenen Festes gewähren.
Papst Benedikt XV. entsprach der Bitte mit einem Dekret vom 26. April 1916. Die erste Festfeier, Patrona Bavariae, legte er auf den 14. Mai 1917 fest.
Einen Tag zuvor, am 13. Mai 1917, erschien die Gottesmutter in Fatima den Kindern Lucia, Jacinta und Francesco und trug ihnen auf: "Betet täglich den Rosenkranz, für den Frieden in der Welt und das Ende des Krieges!"
Wenn man die Fatima - Bewegung in Westeuropa und den Kommunismus in Osteuropa als zwei Heerlager sieht, die sich einander gegenüberstehen, so wird es in der Mitte zum Kampf kommen. In der Revolutionszeitschrift "Iskra" schrieb der Gotteshasser Lenin 1917 in Petersburg:
"An der Mariensäule von München werden sich die Schicksale Europas entscheiden." Jedoch, es kam anders: Am 08.12.1991, dem Festtag der Unbefleckten Empfängnis, brach die Sowjetunion auseinander."

Lindenlied und Proph.John.XXIII

Gerhard, Montag, 25.04.2011, 21:23 vor 4753 Tagen @ Gerhard (3275 Aufrufe)

Auf https://schauungen.de/forum/index.php?id=6343

hat BB eine im Sinne der Textkritik geniale und wirklich wertvolle Beobachtung eingestellt, der wir seinerzeit leider nicht weiter nachgegangen sind. In der Konsequenz müßte die Proph.John.XXIII (=PJ) unbedingt mit dem Lindenlied verglichen werden, was ich hiermit im Ansatz mal versuchen will.

Das Lindenlied ist nach meiner Auffassung eine "dichterisch-seherische" Zusammenfassung bereits vorliegender Prophezeiungen. Manchmal gehen die Übereinstimmungen des LL mit seinen Vorlagen, wie ich damals zu zeigen versuchte, bis in den Wortlaut. Außer der damals von BB gemachten Beobachtung kennen in der gesamten Prophezeiungsliteratur allein LL und PJ ein neues Konzil, und ich meine mich erinnern zu können, dass es sonst nur noch ein Konzil bei einem der französischen oder italienischen Klosterfräuleins gibt - wenn ja, könnte das die originale und erste Quelle sein (die Konzilszählung und das Vatikanum II tragen hier nichts bei, da ganz spezifisch ein Konzil nach der Wiedereinführung der Monarchie gemeint ist).

Bei der Gelegenheit darf ich hier einfügen, dass das Lindenlied keinen Ost-West-Krieg kennt (der bunte Fremdling und die Störer sind mir zu schemenhaft ...), ja nicht einmal den Zweiten Weltkrieg (was man eigentlich erwarten dürfte ...). Nach einem kurzen Reflex auf die Geschichte seit Karl dem Großen konzentriert sich das Lindenlied vielmehr ganz auf ein Land und Volk, das nach und nach innerlich zerfällt, sich richtiggehend zerfleischt, plötzlich von einer Naturkatastrophe überrascht, vom Retter-Monarchen neu aufgebaut und in der Kirche seine neue Mitte finden wird.

Wie das Lindenlied sich an das "einfache Volk" wendet, so wendet sich die Proph.John.XXIII ihrerseits an ein gebildetes und aufgeschlossenes, dabei aber marienfromm gebliebenes Publikum. In meinem vorletzten Beitrag zur PJ versuchte ich das Bild einer "upper class" und eines exklusiven Zirkels von hochgestellten Persönlichkeiten anzudeuten. Nichts desto trotz: wie das Lindenlied ist die PJ ein in sich ruhendes, geschlossenes und umgrenztes Gewebe, ein zusammenhängender Teppich von Prophezeiungen. Und einzelne Fäden in beiden Teppichen sind vielleicht vom selben Garn.

Die Proph.John.XXIII hat allerdings ungleich mehr Material: sie ist eine Kathedrale, das Lindenlied eine Kapelle. In der Kathedrale gibt es soooo viele andere interessante Dinge, dass man leicht den Überblick verliert. Aber im Kern sind sich die Aussagen in beiden Texten ähnlich: es geht um eine Gesellschaft - in der Proph.John.XXIII wird die gesamte Menschheit in den Blick genommen -, die sich selbst zerstört. Bei der PJ ist allerdings der Ausblick in die Zukunft nicht ganz so rosig ist wie im Lindenlied. Die PJ sieht zwar auch eine Monarchie (die sie sehr kritisch einschätzt), sie sieht zunächst auch weltweiten Frieden und eine erneuerte Kirche. Aber sie blickt noch einen Tick weiter, deutet weitere künftige Katastrophen an und erwartet die wirklich gute Zeit erst in einer ferneren Zukunft. Das ist aus meiner Sicht (Geschichtszyklen) sehr viel realistischer.

So wie das Lindenlied den (neuen?) Ost-West-Konflikt ausblendet, so werden in der PJ Naturereignisse fast ganz verdrängt. Beide Texte unterscheiden sich auch in wichtigen Punkten: das Lindenlied könnte man beispielsweise habsburgerfreundlich deuten (der Held ist aus dem Osten, in Wien wird ihm zuerst gesungen), während die PJ antihabsburgisch interpretiert werden könnte (Äneas) und ausgesprochen herrschaftskritisch ist.

Wenn die PJ keine genuine Prophezeiung ist und keine (was hier noch gar nicht geäußert wurde ...) Handlungsanweisung, kein Programm (!!), dann müßte ihr Autor neben ganz eminenten geschichtlichen, politische und wissenschaftlichen Kenntnissen auch ein intimer Kenner der Prophezeiungsliteratur gewesen sein. Und er müßte ein äußerst "glückliches Händchen" gehabt haben beim "Tippen" auf den Fall der Berliner Mauer, auf das Ende des Kommunismus (je 15 Jahre im Voraus) sowie auf archäologische Sensationsmeldungen (je 30 Jahre im Voraus). Dass man gar ein Pontifikat von fast 30 Jahren Dauer im Voraus in seiner Grundcharakteristik richtig er"tippen" kann (wie bei JP II ganz offensichtlich geschehen), das mag ich irgendwie nicht glauben. Was die PJ dem Lindenlied und anderen Texten also Voraus hat, ist eine teilweise "Bewahrheitung", die man provisorisch (im eigentlichen Sinn des Wortes!) akzeptieren kann. Aber nicht muss.

Ist das, was die Kathedrale PJ an mehr Material als die Kapelle LL bietet, nun dazuphantasiert? Sind es nur Schnörkel und hohle Figuren? Voraussagen über die USA spielen beispielsweise in der europäischen Schauungstradition keine bedeutsame Rolle, nur Johansson macht da ein paar längere Andeutungen, andere Seher verlieren nur wenige Worte. In der PJ ist das ein ganz ausführliches und detailliert beschriebenes Thema. Haben wir hier einen Fall vor uns wie bei "Johann Wagner's Zettelkasten"?

Während der lustige Johann Wagner sich (für mich) sehr schnell an seinen notorisch überpräzisen Ortsangaben verraten hat, besitzt der (hier mal hypothetisch unterstellte) Fabrikateur der PJ-Kathedrale doch weit mehr Raffinesse: er nennt für das neue Konzil nicht nur einen Ort (Alexandria) sondern auch weitere Details (Friedensbewegung, den Störenfried Markus etc.). Und irgendwie machen solche Details der PJ sogar einen Sinn, passen wenigstens in das Gesamtgewebe und auch zu den aktuellen geschichtlichen Entwicklungen. Wir haben heute, anders als in den 1970er Jahren den Zerfall der USA direkt vor Augen (das heißt, die Voraussagen der PJ werden "wahrscheinlich"), und nicht wenige Zeitgenossen fühlen sich heutzutage von "Verschwörern" manipuliert. In der Prophezeiungsliteratur werden extrem selten Verschwörungen thematisiert - die Lumperei der Feldpostbriefe (siehe mein paralleler Beitrag) wird hierbei etwas unvorsichtig gehandhabt. Warum sollte nun die PJ diesen ganzen diffizilen Verschwörer-Komplex mit in ihre Themen hinein nehmen? Und uns überdies positiv voraussagen, dass eines Tages diese eklige Hinterzimmerpolitik und -finanzwirtschaft ein Ende finden wird?

Bevor nicht nachgewiesen wird (wie im Fall von "Johann Wagner"), dass diese Aussagen und Voraussagen allesamt nur Phantasie und bösartiges Spiel von Carpi oder jemand anderem waren, können sie ganz pragmatisch als Instrument gebraucht werden, um laufenden Entwicklungen auf den Puls zu fühlen. Können. Müssen nicht.

Ich habe damit wieder mal genug für die PJ getrommelt. Ihre weitere Verwendbarkeit wird sich bei der Wahl des nächsten Papstes oder eines der nächsten Päpste zeigen. Denn sie macht klare Voraussagen darüber, was alles noch geschehen soll, bevor ein Papst flieht. Für Datierungsfragen kann sie damit gegebenenfalls - je nachdem wie die Prüfung ausfällt - hilfreich sein.

Ich werde erst wieder Mitte Mai dauerhafte Internetverbindungen haben. Bis dahin wünsche ich dem Forum alles Gute.

Gerhard

PS: Heute hab ich mir einen einfachen Drucker für gelegentlich notwendige Hardcopies gekauft. Die umgerechnet 30 Euro scheinen ein Freundschaftspreis für den Touristen gewesen zu sein, in Deutschland würde derselbe Drucker 40 Euro kosten (2400 Rp standen auch als Preisempfehlung auf der Verpackung). Beim Papier bekam ich ebenfalls Nachlass und zahlte umgerechnet 3 Euro (anstelle von umgerechnet 4 Euro Preisempfehlung). Das deutet an, dass die typischen "Produkte der Globalisierung" international ungefähr den gleichen Preis haben. Pommsfrits als Artikel für Touristen kosten hier ebenso viel wie im Durchschnitt in Europa. Preise für Acker- und Bauland sind dagegen extrem hoch, teilweise noch höher als in Europa, und sie explodieren geradzu (absolut sicheres Terrain für Spekulanten ...), was ein Reflex der Nachfrage gemäß Bevölkerungzahl sowie der gestiegenen Einkommen der Mittel- und Oberschichten ist. Gold kann man beliebig kaufen, keine Einschränkungen, da traditionell permanente Nachfrage (Schmuck und Aussteuer für die Frauen, Familienschatz). Der tägliche Bedarf in stadtfernen Regionen (Lebensmittel, Textilien, Baumaterial etc., jeweils aus der Produktion vor Ort) ist umgerechnet aber extrem günstig. Man muss sich nur mit Chillies usw. anfreunden können ...

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