Frage zu Matteo Tafuri (Schauungen & Prophezeiungen)

Quintus, Sonntag, 22.01.2017, 08:25 vor 2649 Tagen (2599 Aufrufe)

Sehr geehrte Forumsmitglieder

Wo, wenn nicht hier, kann man eine fundierte und erhellende Antwort zu solchen Prophetien wie dieser von Matteo Tafuri erhalten.
Wieso ist nichts über diesen "italienischen Nostradamus" in Erfahrung zu bringen?
Gab es noch mehr Prophezeiungen dieses Philosophen und Arztes?
Ist seine Aussage zu den Schneefällen am Stiefel Italiens belegt?
Wenn ja, wäre seine zweite Aussage zu den zwei Blitzen, nicht irdischen Ursprungs
eine interessante Information.
In dem Archiv des Vatikans mit dem Code 2264 sollen seine Vorhersagen festgehalten sein.

Mit freundlichen Grüßen
Quintus

Avatar

Matteo Tafuri

Taurec ⌂, München, Sonntag, 22.01.2017, 09:49 vor 2649 Tagen @ Quintus (2814 Aufrufe)
bearbeitet von Taurec, Sonntag, 22.01.2017, 09:55

Hallo!

Gemeint ist die angebliche Prophezeiung, zu der es im Johannesforum einen Strang gibt. Leider geht es dort schon ab der zweiten Antwortebene gar nicht mehr um das Thema. Es wird pauschal als Bestätigung aufgefaßt, ohne das geringste Interesse, der Quelle nachzufolgen. Hauptsache, man kann sich wohlig in seiner apokalyptischen Naherwartung suhlen. :no:

In dem Archiv des Vatikans mit dem Code 2264 sollen seine Vorhersagen festgehalten sein.

Das erinnert an die "Quellenangabe" zu Hepidanus von St. Gallen:
"Nach dem im Besitz des Herrn François B. aus Lyon 1861 in London befindlichen beschädigten lateinischen Original."

Eine scheinbar präzise, tatsächlich aber möglichst unerreichbare Quelle, um Echtheit vorzutäuschen.
Es ist noch nicht mal genannt, in welchem Archiv. Im "Archivum Secretum Apostolicum Vaticanum" oder im Archiv der Glaubenskongregation etc.?

Zudem scheint mir "2264" keine valide Signatur zu sein für eine Bibliothek, in der gewiß Millionen Schriftstücke lagern. Allein im Archivum Secretum liegen 85 Regalkilometer. Komm da mal mit einer vierstelligen Nummer und ohne Titel an, und sie hauen dich direkt in die Pfanne.
:pfanne:

Bezeichnend ist, daß es zu Matteo Tafuris Prophezeiung kein Suchergebnis gibt, das älter als ein paar Tage ist, was stark für eine Fälschung spricht.

Zur Aussage:
"Der Renaissance-Gelehrte und "italienische Nostradamus" Matteo Tafuri sagte voraus, dass das Ende der Welt gekommen sei, wenn es auf der Halbinsel Salento zwei Tage lang schneien würde. Das ist nun eingetreten!" (Quelle)

Hat schon mal jemand geprüft, wie oft das in den letzten 500 Jahren außer dem eingetreten ist? Eine nicht gerade außergewöhnliche Wetterlage wie die gegenwärtige ist sicher schon öfter vorgekommen. Wenn schon in der Sahara dieses Jahr zum ersten Mal seit 37 Jahren Schnee fiel, dürfte es in Süditalien ungleich häufiger schneien.

Und von hier:
"Salento of palm trees and mild south wind, snowy Salento but never after the touch. Two days of snow, two flashes in the sky, I know the world ends, but I do not yearn."

Das klingt fast wie die englische Übersetzung eines existierenden Textes. "Blitze" sind ein häufiges Omen im antiken Aberglauben, dessen Motive im 4. Jahrhundert von Iulius Obsequens im Liber Prodigiorum (50 Treffer zu "Blitz" in 72 Kurzkapiteln) zusammengefasst wurden, einem Werk, bei dem sich auch Nostradamus häufig bediente. Sollte es sich bei obigem um einen echten Text handeln, ist er gewiß ähnlich breit interpretierbar wie Nostradamus.
Es könnte sein, daß Matteo Tafuri sich an antiker, bzw. renaissancistischer Vorzeichenliteratur orientiert und daraus Motive zusammengefaßt hat, die aber nicht wirklich sind, ähnlich den zahlreichen Kennzeichen, an denen man den Antichristen erkennen soll.

Gruß
Taurec

--
„Es lebe unser heiliges Deutschland!“

„Was auch draus werde – steh zu deinem Volk! Es ist dein angeborner Platz.“

Avatar

Italienischer Wikipediaartikel

Taurec ⌂, München, Sonntag, 22.01.2017, 12:42 vor 2649 Tagen @ Taurec (2313 Aufrufe)

Hallo!

Das italienische Wikipedia zu Matteo Tafuri:
"Fu più volte interrogato per le sue capacità di previsione del futuro (divinatorie) ma fu sempre rilasciato innocente."

Heißt, er wurde mehrmals wegen Zukunftsvorhersage verhört, aber als "unschuldig" wieder freigelassen. Als Quelle wird "Bernari, A., Il mago di Soleto: Matteo Tafuri, Milano, 2009, S. 60" genannt.

"Unschuldig" könnte natürlich bedeuten, daß seine Aussagen nicht etwa ungefährlich für die Kirche gewesen wären, sondern er überhaupt nicht sehen konnte. ;-)

Im Artikel wird auch der "Codex Vaticanus 2249", allerdings ohne Beleg, als wahrscheinlich einziges verbliebenes Zeugnis seiner "impegno speculativo" (seherischen Anstrengungen) genannt. Falls sich dahinter ein echter Codex verbirgt (Angaben ohne Beleg kann jeder bei Wikipedia einstellen), handelt es sich dabei höchstwahrscheinlich um Gerichts-, bzw. Verhörakten, die wohl kaum den eher tagebuchartig anmutenden Text aus dem englischen Onlineartikel enthalten.

Aber: Selbst wenn die entsprechende Textstelle existieren sollte, ist sie nicht ernst zu nehmen.

Die Aussage, daß die Welt untergehe (an sich schon Unsinn), wenn es in Salento an zwei Tagen schneie, ist auf derselben Ebene zu betrachten wie der Aberglaube, die Welt würde untergehen, wenn der Kölner Dom fertiggestellt wäre, die Raben den Londoner Tower verließen oder der Markustag auf Ostern fiele, am Sankt-Nimmerleins-Tag eben.

Gruß
Taurec

--
„Es lebe unser heiliges Deutschland!“

„Was auch draus werde – steh zu deinem Volk! Es ist dein angeborner Platz.“

Matteo Tafuri

Ulrich ⌂, München-Pasing, Sonntag, 22.01.2017, 19:59 vor 2648 Tagen @ Taurec (2369 Aufrufe)

Hallo Taurec,

Im Artikel wird auch der "Codex Vaticanus 2249", allerdings ohne Beleg, als wahrscheinlich einziges verbliebenes Zeugnis seiner "impegno speculativo" (seherischen Anstrengungen) genannt. Falls sich dahinter ein echter Codex verbirgt (Angaben ohne Beleg kann jeder bei Wikipedia einstellen), handelt es sich dabei höchstwahrscheinlich um Gerichts-, bzw. Verhörakten, die wohl kaum den eher tagebuchartig anmutenden Text aus dem englischen Onlineartikel enthalten.

gemeint sind die "Codices Vaticani Graeci".
Band 2264 (nicht 2249) enthält die "Anmerkungen zu den Hymnen des Orpheus", das ist eines von zwei erhaltenen Werken, die Matteo Tafuri zugeschrieben werden.

Luana Rizzo, Professor an der Universität Salento befasst sich seit mindestens 1998 ( http://cetefil.altervista.org/Membri/luana_rizzo.html ) mit Vat.gr.2264 und Tafuri, hat bereits zwei Bücher dazu veröffentlicht,

"Umanesimo e Rinascimento in Terra d'Otranto. Il Platonismo di Matteo Tafuri." 2000
http://www.besaeditrice.it/component/virtuemart/?page=shop.product_details&flypage=flypage_new.tpl&product_id=415&category_id=17

"Il pensiero di Matteo Tafuri nella tradizione del Rinascimento meridionale" 2014
http://www.galatina.it/%E2%80%9Cil-pensiero-di-matteo-tafuri-nella-tradizione-del-rinascimento-meridionale%E2%80%9D
Einleitung: http://www.aracneeditrice.it/pdf/9788854865785.pdf

und kündigt eine kritische Edition des Vat.gr.2264 an.


Ach ja...:
"Tafuri later went to England, where he was suspected of Lutheranism and indulged in some misguided prophecies, predicting the imminent death of Charles V."
Quelle: Sgarbi, M.(Ed.): "Encyclopedia of Renaissance Philosophy", 2015

Ich wette einen Satz Winterreifen, daß Rizzo der Schneefall-Spruch keine Zeile wert sein wird und der Weltuntergang, wieder einmal, ausbleibt.

Gruß
Ulrich


Das Buch von Luigi Manni über Tafuri, aus dem Wikipedia zitiert, gibt es hier gratis (legal, weil gemeinfrei):
"La guglia L'astrologo La macàra"
http://www.pugliadigitallibrary.it/item.jsp?id=1237&locale=it_IT
außerdem, ebenfalls von Luigi Manni:
"Dalla guglia di Raimondello alla magia di messer Matteo"
http://www.pugliadigitallibrary.it/item.jsp?id=1652&locale=it_IT

Italienischer Blogeintrag

Leserzuschrift @, Sonntag, 22.01.2017, 17:41 vor 2649 Tagen @ Taurec (2140 Aufrufe)

Sehr geehrter Taurec,

ich habe eben mal spaßeshalber bei google.it wegen Tafuri recherchiert. Die Internetquelle für die diversen Tafuri-Artikel der letzten Tage ist offenbar dieser Blogeintrag: http://salentoexp.blogspot.de/2017/01/profezia-antica-5-secoli-due-giorni-di.html?google_comment_id=z12bwbmabkbzg33p504chdbqhqjqubgjc5c

Der italienische Text lautet demnach:
Salento di palme e mite Scirocco,
Salento nevoso ma mai dopo il Tocco.
Due giorni di neve due lampi nel cielo,
il Mondo finisce lo so non lo anelo.

Mit meinen bescheidenen Italienisch-Kenntnissen:
Salento der Palmen und des milden Scirocco,
Salento im Schnee, doch nie nach dem Ein-Uhr-Läuten.
Zwei Tage Schnee, zwei Blitze am Himmel,
Die Welt endet, ich weiß es, doch ich ersehne es nicht.

Anm.: "tocco" heißt eigentlich "Berührung" und wird teilweise im Sinn einer "Berührung durch Gottes Hand" verwendet. Laut dem Blog meint Tafuri hier aber einfach das Ein-Uhr-Läuten, da der Schnee im Salento normalerweise nie länger als bis Mittag liegen bleibe, wenn es denn einmal schneit (scheint eine Art lokales Sprichwort zu sein?)

Laut dem Verfasser des Blogs soll sich diese Prophezeiung im Tagebuch Matteo Tafuris finden, das im Architrav seines Hauses in Soleto versteckt gewesen und kürzlich (recentemente) entdeckt worden sei.
Der Autor spekuliert auch, dass das Wappen Tafuris, das einen doppelköpfigen Adler über einer Palme zeigt, eine Anspielung auf die Prophezeiung sein könnte.

Ich hoffe, ich konnte damit weiterhelfen.

--
Benutzerkonto für Leserzuschriften

E-Mail an:
[image]

Einzustellenden Text und Beitragstitel angeben!

Avatar

Beim Niederlegen einer Mauer

Taurec ⌂, München, Sonntag, 22.01.2017, 17:47 vor 2649 Tagen @ Leserzuschrift (2215 Aufrufe)

Hallo und Dank!

Laut dem Verfasser des Blogs soll sich diese Prophezeiung im Tagebuch Matteo Tafuris finden, das im Architrav seines Hauses in Soleto versteckt gewesen und kürzlich (recentemente) entdeckt worden sei.

Das erinnert wiederum an das Testament des fliehenden Papstes (Kriegsfälschung von 1914ff.), demnach "beim Niederlegen einer Mauer im Kloster zum heiligen Geist zu Wismar in Mecklenburg [...] in einer Bibel ein Pergament mit einer prophetischen Schrift gefunden" worden sei.
Im dieselben Maschen, die in Fälscherkreisen populär sind. :-D

Ein solcher Fund hätte sich eigentlich in Fachkreisen durch entsprechende Veröffentlichungen niederschlagen müssen, da Matteo Tafuri keine gänzlich nebensächliche Persönlichkeit ist.

Gruß
Taurec

--
„Es lebe unser heiliges Deutschland!“

„Was auch draus werde – steh zu deinem Volk! Es ist dein angeborner Platz.“

Drucken RSS Thema