zur Erfindung des erfundenen Mittelalters (Schauungen & Prophezeiungen)

Ulrich ⌂, München-Pasing, Montag, 01.05.2017, 13:51 (vor 2523 Tagen) @ Leserzuschrift (2738 Aufrufe)

Hallo T.S.,

Ein Konsens dieser Forschung ist, neben dem Nachweis der Geschichts- und Zeitfälschung, dass es wohl mehrere Brüche im „Mittelalter“ gab, die auf planetarische Impakte zurückgeführt werden können.

Mit Beweisführungen ist das so eine Sache:
Wenn der amtierende Premierminister Narendra Modi die kühne These aufstellt, die zahlreichen Darstellungen des elefantenköpfigen Hindu-Gottes Ganesha ( https://de.wikipedia.org/wiki/Ganesha ) seien ein zwingender Beweis für die revolutionären Fähigkeiten der alten Inder in plastischer Chirurgie und Reproduktionsgenetik, was von ihnen bereits „vor tausenden von Jahren“ praktiziert worden wäre ( https://www.theguardian.com/world/2014/oct/28/indian-prime-minister-genetic-science-existed-ancient-times ), dann findet sich weltweit kaum ein Mediziner, der mit einer Widerlegung dieser These Stellung nimmt.

Nicht, weil die „Welt der Wissenschaft“ in Erkenntnis ihres bisherigen Tunnelblicks nun von einer Schrecklähme befallen wäre, sondern weil es sowas wie eine Schwelle der Absurdität gibt, jenseits derer man - zu Recht - nicht mehr damit rechnen darf, von irgendjemandem ernstgenommen zu werden.

Leider wirfst Du sehr unterschiedliche Vertreter (deren Thesen nicht unter einen Hut zu bringen sind, weil sie sich widersprechen) der „Chronologiekritik“ ( https://de.wikipedia.org/wiki/Kategorie:Chronologiekritik ) in einen Topf. Einige haben m.E. die Absurditäts-Schwelle längst überschritten, andere nicht.

Um nur ein Element herauszugreifen:
Wer, wie Du vorschlägst, „zum Einstieg“ „Das erfundene Mittelalter“ von Herbert Illig liest, dem empfehle ich dringend, auch den Versuch der Widerlegung dieser These aus astronomischer Sicht zu lesen: Franz Krojer „Die Präzision der Präzession. Illigs mittelalterliche Phantomzeit aus astronomischer Sicht.“ Differenz-Verlag Franz Krojer. München 2003. 492 S. http://www.differenz-verlag.de/praezession/pdf/nr.pdf

Erst dann, nicht vorher, kann man sich ein Urteil erlauben, ob die These des „erfundenen Mittelalters“ zu halten ist.

Außerdem empfehle ich abschließend die Lektüre Illigs Stellungnahme zu Krojers Kritik auf dessen Netzseite „Krojer & Co“ ( http://mantis-verlag.de/astromania.html ), betitelt mit „Astromania ? D. Herrmann · F. Krojer · S. Rothwangl · W. Schlosser“.

Erst dann, nicht vorher, kann man sich ein Urteil erlauben, ob das, was auf dem kargen Boden solch polemischer Diskussion entsteht, „historische Forschung“ benannt zu werden verdient.

Aus meiner Sicht wäre deshalb als erste Frage zu stellen, ob diese Autoren denn nicht auf etwas Vergangenes aufbauen, wenn sie auf die Offenbarung schielen, oder etwas Vergangenes sehen, quasi als kollektive posttraumatische Bewältigung eines mindestens grossflächigen regionalen Kataklysmus?

So in etwa stellt das auch Velikowsky in seinem letzten, posthum erschienenen Buch „Mankind in Amnesia“ dar,
„Menschheit im Gedächtnisschwund“ https://www.amazon.de/dp/3934402968

Generell alle Schauungen als Fragmente verdrängter Erinnerung traumatischer Ereignisse anzusehen, die ängstlich in die Zukunft projiziert werden, greift m.E. zu kurz.

Was das Vorausschauen individuellen biographischen Geschehens angeht, trifft diese Erklärung sicher nicht zu: Es sind ja häufig genug banale Ereignisse ohne jedes Element einer Bedrohung, Trauma, Erwartungsangst.
Was das Vorausschauen kollektiven Geschehens angeht, halte ich die Erklärung für ein Symptom der „Angst vor der Angst“, was zu reduktionistischer Rationalisierung verführt.

Meine vorläufige Arbeits-Hypothese sieht so aus, daß mehr noch als in Fällen von den persönlichen Bereich betreffender Präkognition, in denen Szenen oft mit thematisch passenden symbolischen Elementen versehen werden, auch Präkognition, die kollektives Geschehen betrifft, mit symbolischen Elementen ausgeschmückt wird, die über ihren Bezug zu entsprechenden vergangenen Ereignissen die Einordnung/Interpretation/Wertung des Geschauten erleichtern könn(t)en, deren Interpretation jedoch je nach persönlichen Ängsten/Befürchtungen/Erwartungen des Wahrnehmenden bei „gleichem“ Inhalt zu sehr unterschiedlich beschriebenen Bildern führen kann.

Gruß
Ulrich


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