Avatar

Zweifel über Wudy (Schauungen & Prophezeiungen)

Taurec ⌂, München, Mittwoch, 13.07.2016, 10:05 (vor 2836 Tagen) @ Sagitta (3342 Aufrufe)
bearbeitet von Taurec, Mittwoch, 13.07.2016, 10:26

Danke, sehr interessant!

Den Verdacht, daß Wudy mindestens teilweise legendär sein könnte, hege ich schon länger.
Siehe zum Beispiel die vollständige Anekdote, wie er mit schwarzer Magie seinen gestohlenen Gürtel wiedererlangte:

Watzlik als Quelle zu Wudy, 1921

Höchstwahrscheinlich wurde ihm da vom Volksmund im Zuge der Mythenbildung eine phantastisch anmutende Geschichte angedichtet. Von da ist es zu einer pseudohistorischen Figur wie Mühlhiasl oder Gilge nicht weit.

Daß Wudy gelebt haben könnte, ist nicht unwahrscheinlich. Möglicherweise ist Franz Wudy nicht weit genug zurückgegangen oder sein räumlicher Umgriff war zu eng. Wudy wäre als unverheirateter Knecht wohl ohne Nachkommen gewesen, die seinen Namen trugen. Sein Geburtsort ist nicht bekannt, was die Möglichkeit mit sich bringt, Dokumente übersehen zu haben, weil keine Spur dort hin wies. Die genalogische Linie könnte sich schon vor längerer Zeit getrennt haben, als Franz Wudys Forschungen zurückreichen. Nicht zuletzt könnten durch die Vertreibung der Sudetendeutschen aus Böhmen wichtige Verbindungslinien und Urkunden vernichtet worden sein.
Selbst wenn sich ein historischer Wudy nachweisen ließe, würde das die Echtheit der Aussagen aber nicht unbedingt erhärten, da sich Legenden an reale Sonderlinge heften können.

Man sollte sich auch mal die Person Hans Watzliks ansehen, der angeblich die Aussagen aus dem Kalender des Frischwinkler Bauern abschrieb.
War er ein Typ wie Adlmaier, vom Charakter eher zwielichtiger Verleger und Geschäftemacher?
War er ein Typ wie Bekh, der eher unkritisch Material sammelt und literarisch aufbereitet?

Die Frage ist, ob er im Fall der Fälle Hemmungen hatte, den Stoff aufzupolieren oder gar zu fälschen, hinsichtlich der Quelle zu lügen usw., um einen volkstümlichen Mythos zu schaffen oder auszubauen.
Das selbe gilt natürlich bezüglich Paul Friedls, da wir genaugenommen nicht Watzliks, sondern nur Friedls Wiedergabe der Aussagen von 1974 kennen.
Betrachtet man diese sehr kritisch, stehen dort einige Dinge, die man sich 1974 hätte denken können:

"Das ist nicht der letzte Krieg hat er gesagt, denn dann wird bald wieder einer sein, und dann erst kommt der letzte. Einer wird schrecklicher als der andere."

Keine sensationelle Aussage, nachdem 1974 bereits zwei Weltkriege geschehen waren.

"Wenn du es erleben tätest, könntest deinen Vetter in Wien von deiner Stube aus sprechen, und wenn du ihn schnell brauchtest, könnte er in einer Stunde da sein."

Autobahnen und Telefone, 1974 bereits vorhanden.

"Rennt nicht davon, wenn die grauen Vögel fliegen, woanders wird es noch schlechter sein."

Nicht etwa eine Andeutung der Irlmaierschen Strichdrohnen, sondern bloße Reflektion der alliierten Bomberflotten im zweiten Weltkrieg. Auf dem Lande war man vergleichsweise sicher im Vergleich zum "Woanders" der Städte.

"Du hast das Essen vor dir und darfst es nicht essen, weil es dein Tod ist, und hast das Wasser im Grandl und darfst es nicht trinken, weil es auch dein Tod ist."

Radioaktiver Fallout, zur Zeit des kalten Krieges eine ständige Bedrohung im Falle atomarer Eskalation.

"Die Luft frißt sich in die Haut wie Gift."

Das könnte in der Tat ein bloßes Plagiat des 1974 bereits bekannten Irlmaiers sein: "Wenn sie explodieren, dann entsteht ein gelber und grüner Staub oder Rauch, was drunter kommt, ist dahin, obs Mensch, Tier oder Pflanze ist. Die Menschen werden ganz schwarz und das Fleisch fällt ihnen von den Knochen, so scharf ist das Gift."

"Wenn dir die Haare ausfallen, hat es dich erwischt."

Strahlenkrankheit, siehe "Fallout".

"In der Kirche spielen sie Tanzmusik, und der Pfarrer singt mit."

Das sind womöglich Entstellungen der Liturgie in der Moderne, die in den Siebzigern bereits um sich griffen. (In meiner Kindheit ab Mitte der 80er/90er glichen die Gottesdienste schon schlecht improvisierten Popkonzerten.)

Interessant ist diese Aussage:
"Dann gibt es keine Grenze mehr gegen Bayern, aber wo du dann bist, kann ich nicht sagen. Aber was sag ich? Dich geht es ja nichts mehr an, aber sag es deinen Kindern und Kindskindern."

1974 lag Böhmen hinter dem eisernen Vorhang.
Allerdings könnte diese Stelle auf eine ältere Fassung Wudys zurückgehen, denn Watzlik soll die Aussagen 1944 (!!!) an Friedl übergeben haben.
Bereits nach dem Münchner Abkommen von 1938 wurde das Sudetenland, in dem der Frischwinkel liegt, an das Reich angeschlossen. Die restliche Tschechei folgte wenige Monate später. Bis 1945 gab es dann tatsächlich keine Grenze gegen Bayern mehr.
Watzlik soll den Kalender mit den Aussagen damals vom Sohn des Bauern gezeigt bekommen haben. So trifft auch die Aussage "wo du dann bist, kann ich nicht sagen" zu, da der ursprüngliche Bauer damals bereits weg war, und es könnte sich um eine bloß auf 1914 rückdatierte Wiedergabe des Zustandes zwischen 1938 und '45 handeln.

Es erheben sich Zweifel über die Echtheit des Textes. Ohne alte Quelle muß man Wudy wohl in weiten Teilen als unauthentisch betrachten.

Gruß
Taurec


„Es lebe unser heiliges Deutschland!“

„Was auch draus werde – steh zu deinem Volk! Es ist dein angeborner Platz.“


Gesamter Strang: