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Zur Hepidannusfälschung (Schauungen & Prophezeiungen)

BBouvier @, Samstag, 21.05.2016, 18:46 (vor 2896 Tagen) @ Serenissimus (4495 Aufrufe)
bearbeitet von Forumsleitung, Samstag, 21.05.2016, 20:15

<"Zum Beispiel gibt Herr Berndt Hepidanus von St. Gallen eine "I" ...">

Hallo, Serenissimus!

Um ein wenig Licht in diese Sache zu bringen:
(Gestützt auf Taurecs Recherchen in dessen noch unveröffentlichtem
Buch: "Prophezeiungen zur Zeitenwende")

Der früheste greifbare Text "Hpidannus" wurde 1951 (!) von
Dr. Armand veröffentlicht - posthum aus dem Nachlaß des
1948 verstorbenen Paters Ellerhorst.
Jener wiederum nennt als Quelle einen Text von 1866.
Und zwar hätte ein gewisser Mr. B. aus Lyon in London (<= sic!)
1861 einen lateinischen Text ins Deutsche übersetzt:
Von einem solchen Text ist allerdings nichts bekannt,
von ihm fehlt jegliche Spur.
Die Quellenlage läßt daher mehr als zu wünschen übrig.
Taurec vermutet, es habe überhaupt keinen lateinischen
Urtext gegeben - das sei nur vorgetäuscht -
mit einiger Wahrscheinlichkeit habe Ellerhorst
die Broschüre nie besessen.
Die Details, die darauf hinweisen, führe ich hier nicht auf.
Einer der Indikatoren besteht darin, daß Ellerhorst
"Hepidannus" durchgehend falsch, nämlich mit nur einem "n" schreibt.

Bei dem Text handelt es sich angeblich um Auszüge des Tagebuches (echt!)
des Fraters Bartolomäus von St. Gallen um 1081, der dort
über die Schauungen seines Confraters Hepidannus berichtet:
"Ich war gestern nach den Vigilien mit dem Bruder Hepidanus zusammen
und sprach mit ihm über die Ereignisse, welche in jüngester Zeit .
.."

Indikatoren, die auf Fälschung hinweisen:

1.
Das Tagebuchschreiben setzt in Europa erst mit der Renaissance ein,
also fast ein halbes Jahrtausend später.
Derlei Tun ist der Seele eines mittelalterlichen Menschen noch völlig fremd.
Es gibt überhaupt keine mittelalterlichen Tagebücher!
Weiter:
Ein Kennzeichen aller Tagebücher ist die Regelmäßigkeit des Berichtens.
Umgerechnet in heutige Währung hätte Pater B.
sich irgendwie einige hunderttausend Euros für das Pergament
schier unzähliger Rinder beschaffen müssen, und bereits
nach 15-25 Jahren wäre seine Zelle bis zur Decke hoch
mit Notizen des ewig identischen Tagesablaufes
eines Klosteralltages sinnfrei verfüllt gewesen.

2.
Pergament war im Hochmittelalter äußerst (!) kostbar.
Angeblich hat es Pater B. jedoch für derlei Lappalien verschwendet:
"Da sprach Bruder Hepidanus zu mir:
"Folge mir hinaus in den Klostergarten.
Ich will dir merkwürdige Dinge mitteilen von dem,
was ich gesehen und gehört habe!"
Als wir die große eiserne Pforte geöffnet hatten
und in den Garten hinausgetreten waren,
der sich gegen die Höhen zum schwarzen Kreuz von Mitternacht
gegen Mittag ausdehnt, sah ich vor mir im Zwielichte
die Berge Welschlands sich erheben...
" und so weiter =>

Dazu:
a.
Die Mönche treten angeblich durch eine eiserne Gartenpforte.
Für 1081 völlig unvorstellbar - eine sinnlose Verschwendung
kostspieliger Rohstoffe, wo es eine hölzerne genauso täte.
b.
Die welschen Berge sind vom Kloster 140 Kilometer entfernt.
Das Kloster liegt in einer Senke, weswegen man nur
10 Kilometer weit nach Westen sehen kann.
c.
Die Vigilien enden bei Sonnenaufgang,
weswegen dann kein Zwielicht mehr herrscht.

3.
Bei dem Stern, der im Sternbild Nördliche Krone erscheint,
handelt es sich um die Nova dort des Jahres 1866.

4.
Bei dem Krieg, der dort beschrieben wird,,
handelt es sich um den Preußisch-Österreichischen des Jahres 1866,
und bei der Schlacht um die bei Königgrätz im Juli 1866.

Beides (3&4) just das Jahr, in dem der Text erstmalig auftaucht.

5.
"Hepidannus" berichtet angeblich 1081 von einer Schau,
in der er angeblich einen Augustinermönch an dessen Ordenskleidung erkennt:
"Der eine war von großer Gestalt und kräftigem Körperbau,
er trug das Ordenskleid der Regula des hl. Augustin
."

Allerdings wurde dieser Orden rund 100 Jahre später
überhaupt erst gegründet.

Fazit:
Es ist gar nicht so leicht, eine Schau glaubhaft zu fälschen.

Obige Überlegungen und massive Fälschingsindikatoren
sind Berndt wohlbekannt.
Es mag dem geneigten Leser überlassen bleiben,
sich selbst die Gründe zu denken, weswegen er diese
- nicht einmal gut gemachte - Fälschung mit einer "I"
als ganz excellente Quelle auszeichnet.

Gruß,
BB


- es ist gemein, Blinden Stummfilme zu zeigen
- eine schöne Theorie sollte man sich mit Forschung nicht kaputt machen
- Irlmaier: "Ein Mann erzählt das, was er irgendwo mal gelesen hat."


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