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Weitere Deutungen: sprachlich, spirituell (Schauungen & Prophezeiungen)

Taurec ⌂, München, Freitag, 22.04.2016, 09:59 (vor 2920 Tagen) @ rauhnacht (4974 Aufrufe)
bearbeitet von Taurec, Mittwoch, 26.09.2018, 08:30

Hallo!

Klingt zwar ganz hübsch, empfinde ich aber als zurechtgedeutelt:
Die „Mondlichen“ als alle Planeten, weil im Gegensatzpaar zur Sonne ergibt merkwürdigen Sinn. So, als würde es erst Nachts eine „Verschattung“ geben, Der Sonne „fehlt“ da noch nichts?
Diesen Fehler, Makel, Schwäche als „Verschattung“ zu deuten, gefällt mir nicht. Wenn da stünde: Wenn da nahe ist „das Dunkel“ der Mondlichen, wäre das zu Verschattung passender. Ein Fehler, Makel, Schwäche erscheint mir stärker AUF die Objekte ( Mondliche, Monde )bezogen.

Man muß sich mal aus dem deutschen Sprachgefühl herauslösen und sich dem romanischen, lateinischen annähern.

Wie bei jeder Übersetzung ist "défaut" als "Fehler" nur sehr annäherungsweise übersetzt. Das dazugehörige Verb "defaillir" bedeutet "schwach werden", "niedersinken" vom lateinischen "fallere", das unter anderem "nicht leisten", "nicht erfüllen", "versagen" bedeutet.
Das heißt, "Fehler" bedeutet eigentlich schlichtweg ein Nichterfüllen der Aufgabe der Gestirne, nämlich zu leuchten.
Es ist also nicht optisch etwas verdeckt, so daß man sagen kann "da fehlt etwas", während der Rest noch in Ordnung wäre, wie es dem deutschen Geist instinktiv erscheint, wenn er "Fehler" oder "fehlen" hört.

("Fehler" dürfte sich übrigens auch vom lateinischen "fallere", bzw. dem französischen "faillir" ableiten. "Fehlen" war auch bei uns früher weiter gefaßt, siehe etwa die heute kaum noch gebrauchte Bedeutung "falsch handeln" oder "irren", also ebenfalls "versagen", "scheitern".)

Mehr, als daß die Gestirne nicht mehr leuchten wie gewohnt, läßt sich der Zeile gar nicht entnehmen.

Die Kälte und Trockenheit werden da wodurch bewirkt? Wetteranomalien, wie dann womöglich auch „unser“ Kältesommer einfach so? BEVOR da überhaupt der Makel der Mondlichen zuschlägt?

Die Sache wird sogar noch verzwickter, wenn man sich die grammatikalischen Formen ansieht. Das ist mir gerade eben erst aufgefallen:

"Seront" ist eigentlich Plural Futur, aber auf welches Subjekt bezogen?
"Le défaut des lunaires" ist nämlich Singular!

Wirklich getreu übersetzt:
Quand ſeront proches le defaut des lunaires,
De l’vn à l’autre ne diſtant grandement,
Froid, ſiccité, danger vers les frontieres,
Meſme oú l’oracle à prins commencement.

Wenn nahe sein werden, der Makel der Mondlichen
vom einen zum anderen nicht übermäßig entfernt
,
Kälte, Trockenheit, Gefahren nach den Grenzen,
Selbst wo die Weissagung Anfang genommen hat.
[/color]

Das einzige, was meines Erachtens als Subjekt in Frage kommt, habe ich rot markiert, bzw. die zusammengehörigen Satzteile in entsprechenden Farben.
Heißt mit anderen Worten:
Wenn Kälte, Trockenheit und Krieg (Gefahren an den Grenzen) nahe sein werden, dann erscheint die Schwäche der Gestirne.
Zuerst nimmt die Leuchtkraft ab, dann lassen Kälte, Trockenheit, Krieg nicht lange auf sich warten.
All das betrifft auch die Provence, wo Nostradamus seine Prophezeiungen verfaßte.

Eine Ursache für das Versagen der Gestirne ist in dem Vierzeiler aber keineswegs enthalten.

Dazu müssen wir andere Quellen heranziehen.

Wenn es zu der Verschattung durch Impakt, Vulkanausbrüchen ect. käme, hat es aber schon ordentlich gerumst und dann wird da in diesen zwei Versen auf die OH,welche Verteuerung abgehoben? Herausgestellt, als gäbe es dann da nicht weitaus gravierenderes. Wenn man zu diesem Zeitpunkt noch von Verteuerung sprechen könnte, als gäbe es da noch zu kaufen und verkaufen in diesem Sinne, kriegt die Chronologie einen Knacks.

Nostradamus reibt dem Leser hier nicht die tagesaktuellen Börsenkurse während des Weltuntergangs unter die Nase. Der Begriff "Teuerung" ist vielleicht nichts weiter als eine Anspielung auf das dritte Siegel der Johannesoffenbarung, Kap. 6,5-6:
"Als es das dritte Siegel öffnete, hörte ich das dritte Wesen rufen: „Komm [und sieh]!“ Und ich sah, und siehe, ein schwarzes Roß, und der auf ihm saß, hatte eine Waage in seiner Hand. Ich hörte inmitten der vier Wesen eine Stimme rufen: „Ein Maß Weizen um einen Denar und drei Maß Gerste um einen Denar! Dem Öl aber und dem Wein füge keinen Schaden zu!"
Im Rahmen des Geschehens ist Teuerung als durchaus bedeutsam.
Das zweite Siegel eröffnet den Krieg, das vierte Siegel das Sterben durch Schwert, Hunger und Pest.
Beim sechsten Siegel verdunkelt sich übrigens die Sonne.

Auch hier spricht er vom „Fehler an der Sonne“. Nach Deiner Deutung zu „Fehlern“ wäre auch da die Verschattung. Geht aber ja nicht, denn da steht ja „am hellen Tag“.
Da ist also auch ein Fehler der Sonne ohne Verschattung und ein „Himmelszeichen“ den ganzen Tag.
Aber wohl selbst dann wird das eben IMMER NOCH „anders“ gedeutet.

Wie gesagt ist es ein "Schwachwerden" der Sonne. Es ist kein völliges Verschwinden. In I/84 zieht die Schwester des Mondes, die Sonne rostrot vorbei, ist also noch sichtbar. Selbst dann wären Tag und Nacht noch voneinander unterscheidbar, anders als während der Finsternis im Oktober.
Man darf den Text übrigens nicht zu wörtlich nehmen. Das ist ein gängiger Fehler. "Aus heiterem Himmel" und "niemand hat da vorgesorgt" ("n’y aura pourueu") gehören unmittelbar zusammen. Der Sinn: Das menschliche Befinden wird aus seiner Sorglosigkeit gerissen, der Himmel verdunkelt sich (also Gott straft).
Es kann übrigens durchaus sein, daß das Schwachwerden der Sonne selbst das "Monster"/"Himmelszeichen" ist, auf das Nostradamus hier abhebt. Dieses tritt natürlich an einem zuvor geklärten Himmel auf.

Die Verschattungen und Wunderdinge von Dir als Deutung erscheint mir wenig glaubhaft.

Ähnlich wie oben aus dem deutschen Sprachgefühl muß man sich hier aus der modernen Denkweise lösen und in jene der vorzivilisatorischen Phase hineinzufühlen versuchen.
Ein Planetoid, Aschen & Staubwolken vulkanischen Ursprunges in der Atmospäre usw. gefallen dem modernen Menschen, dessen Geist Materielles den nicht greifbaren transzendenten Realitäten stets bevorzugt. Da hat man etwas konkretes, an das man sich klammern kann.
Dem Weltgefühl des traditionalen Menschen war die profane Welt indes nichts anderes als ein Widerhall der geistigen Welt. Alles Diesseitige galt als Symbol für die höhere Wirklichkeit, den göttlichen Willen, der in der Welt waltet und sie in Form bringt. Es ist davon auszugehen, daß Nostradamus hier nicht auf den Himmelskörper und physikalische Veränderungen aus ist in der Auffassung, dies wäre das Wesentliche. Es wäre ihm vielleicht sogar als richtiggehend unwichtig erschienen. Vielmehr hatte er zuvörderst den göttlichen Aspekt im Sinn. Es geht also sehr wohl um Zeichen aus himmlischen Sphären, Wunderdinge, den Vollzug des Weltschicksals und die Bedeutung all dessen für den Menschen. Falls Nostradamus den Himmelskörper sah, lesen wir in seinen Vierzeilern folglich keine Beschreibung desselben und seiner physikalischen Folgewirkungen, sondern eher über die transzendenten Aspekte seines Erscheinens.

Gruß
Taurec


„Es lebe unser heiliges Deutschland!“

„Was auch draus werde – steh zu deinem Volk! Es ist dein angeborner Platz.“


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