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Rußland, Kommunismus, Langzeitstrategie, Friktion nochmal zusammengefaßt (Schauungen & Prophezeiungen)

Taurec ⌂, München, Dienstag, 24.12.2013, 16:45 (vor 3775 Tagen) @ Alex (6828 Aufrufe)
bearbeitet von Taurec, Mittwoch, 30.08.2017, 19:34

Hallo!

Viele Einrichtungen, Zeitungen, etc. haben einfach den alten Sowietnamen beibehalten.
Das Buch ist voll davon.
Es wird erzählt, wie drüben jeder weiss, dass die USSR nicht zusammengebrochen ist und auch jeder danach handelt. Und doch gibt es keinen Laut darüber in den westlichen Medien.

Diesbezüglich war Spengler bereits 1933 viel weiter:

"Aber ist das kommunistische Programm überhaupt noch ernst gemeint, als Ideal nämlich, dem Millionen von Menschen geopfert worden sind und um dessen willen Millionen hungern und im Elend leben? Oder ist es nur ein äußerst wirksames Kampfmittel der Verteidigung gegen die unterworfene Masse, vor allem die Bauern, und des Angriffs gegen die verhaßte, nichtrussische Welt, die zersetzt werden soll, bevor man sie niederwirft? Sicher ist, daß sich tatsächlich nicht viel ändern würde, wenn man eines Tages aus Gründen der machtpolitischen Zweckmäßigkeit das kommunistische Prinzip fallen ließe. Die Namen würden anders werden; die Verwaltungszweige der Wirtschaftsorganisationen würden Konzerne heißen, die Kommissionen Aufsichtsräte, die Kommunisten selbst Aktienbesitzer. Im übrigen ist die westlich-kapitalistische Form längst vorhanden."

(Das ganze Kapitel, überhaupt das ganze Buch "Jahre der Entscheidung" ist höchst lesenswert, weil es in seinen wesentlichen Aussagen bis heute gültig ist. Da könnte manchem ein Licht aufgehen.)

Ob man nun bei wesentlicher Beibehaltung mancher Institutionen auch noch die Namen ändert oder nicht, ist nebensächlich, da für die Russen der Kommunismus während dieser ganzen Epoche nur oberflächlicher Anstrich ihres tiefer liegenden Wesens war.

Darüber schrieb ich bereits mehrmals, von Spengler ausgehend:
Rußland und Kommunismus
Pseudomorphose und Rußland

Warum sollte die russische Führung aber ein Konzept im verborgenen weiterverfolgen, das für sie zu keinem Zeitpunkt die Wichtigkeit hatte, die im Abendland manche mit ihm verbinden, sondern lediglich eine den Russen durch einen geschichtlichen Zufall zeitweise aufgezwungene Form des Ausdrucks ihres Seelentumes war. Die Russen waren zu keiner Zeit Kommunisten. Der Kommunismus hatte mit seinem wirtschaftlichen Scheitern für sie ausgedient. Er wurde fallen gelassen und durch einen pragmatischen Nationalismus ersetzt, wie ihn Putin vertritt. Innerlich ist das russische Leben zur Zeit der UdSSR und heute das gleiche.

Putin hat die geistige Grundlage seiner Politik neulich in der Jahresbotschaft an die Föderationsversammlung deutlich zum Ausdruck gebracht. Sie ist durchaus konservativ, national, stellt sich offen gegen das abendländische System und wendet sich Asien zu (auf Deutsch, auf Englisch):

"Wie Putin unterstrich, verhindert Konservatismus den Rückfall in chaotische Zustände.
Putin mag kein Chaos. Das hatte er auch in der Vergangenheit immer wieder betont. Auch jetzt zieht er eine klare Linie – entweder die Zerstörung der Grundprinzipien, den Triumph des Faustrechts und wachsendes Chaos zulassen oder gemeinsam verantwortungsvolle Entscheidungen treffen.
[...]
Der Hauptgedanke seiner pathetischen Beschreibung der Außenwelt ist: „Schaden abwenden“. Putin stellte den westlichen Mächten, allen voran den USA, die Frage: „Was macht ihr?“. Warum zerstört jeder wichtige Entschluss – von der Einmischung in regionale Konflikte über Demokratisierungsversuche bis zur europäischen Einheitswährung – die anderen Prinzipien der Weltordnung? Damit würden die Probleme nur verschärft.
[...]
Dass sich Putin als Wahrer der Traditionen sieht, zeigte seine Jahresbotschaft abermals. Es geht um die Suche nach einer Stütze. Konservatismus wird de facto der Idee einer universellen Welt gegenübergestellt. Jede Nation und jede Kultur ist einzigartig. Deswegen ist die von Putin erneut angekündigte Wende Russlands in Richtung Asien ein logischer Schritt. Die Förderung Sibiriens und des Fernen Ostens gehöre zu den Hauptaufgaben im gesamten 21. Jahrhundert. Der Asien-Pazifik-Raum ist die einzige Region, die intensiv an den globalen Prozessen beteiligt ist, aber gleichzeitig ihre Traditionen bewahrt. Die Kombination aus einer technologisch fortschrittlichen Wirtschaft mit einer historischen Weltanschauung der Nation ist das Ziel Russlands.
Im innenpolitischen Teil seiner Jahresbotschaft äußerte sich Putin betont sachlich. Im außenpolitischen Teil sind Ansprüche zu erkennen. Aus Putins Worten ist zu lesen, dass Russland seine Ideenwelt in der Weltpolitik verbreiten will, die den früher dominierenden Ansichten entgegensteht. Das ist ein bemerkenswerter Wandel. Bis vor kurzem war Russlands Politik von keiner Ideologie geprägt. In der russischen Außenpolitik stand Pragmatismus im Vordergrund. Ideologien sind ein zweischneidiges Schwert. Doch in einer Welt, in der Gestalten und Vorstellungen eine führende Rolle beanspruchen, reicht reiner Merkantilismus oder die Ablehnung fremder Ideen nicht aus. Man muss eine Alternative hervorbringen. Das ist zwar riskant, doch Wladimir Putin ist ein leidenschaftlicher Mensch."

Die Abwendung vom Westen und Hinwendung zu Asien ist eine Bestätigung der spenglerischen Einschätzung Rußlands im oben verlinkten Kapitel, wie man sie sich kaum besser wünschen könnte.

Putin will Rußland vom abendländischen Einfluß abkapseln, sich auf Traditionen besinnen, auf Werte und Strukturen, die zu Stabilität führen und nicht die menschlichen Lebensgrundlagen vernichten. Putins Richtung ist "antiinternational", gegen die im Kapitalismus und Kommunismus gleichermaßen herrschenden Bestrebungen zur Nivellierung, Auflösung aller Grenzen und Unterschiede zwischen Menschen gerichtet. Beides sind Formen der Diktatur des Geldes, d. h. des Materialismus, der alle geistigen Differenzierungen leugnet und immer weitere Teile des Planeten in seinen Bann ziehen will, zur Ausbeutung des Menschen und seiner Heimat.
Im Grunde ist Putins, d. h. Rußlands Politik das völlige Gegenteil der Langzeitstrategie. Aber Gläubige der Langzeitstrategie werden gerade das als Beweis für eine versteckte Politik werten, als Tarnung für im Untergrund waltende, ganz anderslautende Zielsetzungen. Ich frage mich, wie lange, wieviele Jahrzehnte nach dem Zusammenbruch des Kommunismus in Rußland dieses gedankliche Luftschloß noch aufrechterhalten werden soll, während die Geschichte von den Gläubigen unbemerkt fortschreitet und ihre Auffassungen völlig widerlegende Formen hervorbringt.

Diese auf unter den oberflächlichen Formen wirkende geistige Prinzipien der Geschichte gerichtete Sicht mag nicht jedem einleuchten. Meines Erachtens unterscheiden sich darin solche, die tatsächlich eine Ahnung haben können, was sich auf diesem Planeten abspielt, von jenen, die nur flüchtigen, oberflächlichen Gespenstern hinterherlaufen. Zu solchen kausalistischen Erklärungen der Geschichte habe ich mich im gelben Forum bereits geäußert:
Kausalistische Welterklärung
Insbesondere der Absatz, den ich mit einem Hinweis auf Friktion einleite, trifft auch auf Gläubige der Langzeitstrategie zu.

Die Lehre aus all dem: Geschichte ist nicht planbar, sondern verläuft in den Handelnden großteils unbewußten Linien, die nachbetrachtenden, sortierenden, aber nicht erkennenden Geistern als absichtlich geplant lediglich erscheinen. Es ist ein Trugschluß, einseitig, oberflächlich und flüchtig denkender (leider der Mehrheit der Menschen).

Gruß
Taurec


„Es lebe unser heiliges Deutschland!“

„Was auch draus werde – steh zu deinem Volk! Es ist dein angeborner Platz.“


Gesamter Strang: